Sektionshaltung vor der Zeit des Nationalsozialismus

Antisemitische Strömungen hatte es im Deutschen und Österreichischen Alpenverein (DuOeAv) bereits im 19. Jahrhundert gegeben. Die Sektion Brandenburg hatte bereits im Jahr 1899 Juden formal von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. In ihrer Festschrift zum 25-jährigen Bestehen heißt es dazu:

„Der Beweggrund war, eine alpine Arbeitsgemeinschaft zu gründen, die auf völkischer Grundlage aufgebaut war. Dieser Wunsch war nicht eingegeben von irgendwelcher Minderbewertung der moralischen Eigenschaften und geistigen Fähigkeiten unserer Mitbürger semitischer Herkunft, sondern ausschließlich von dem Bestreben – ich werde verstanden, wenn ich sage – unter uns zu sein.“

Darüber hinaus waren die 1920er insbesondere durch die schwierige Zeit nach dem Ersten Weltkrieg geprägt: Geldentwertung durch Hyperinflation, politische Unruhen und die Bemühungen um ein geregeltes Vereinsleben beeinflussten die Frankfurter Sektion ebenso wie der aufkommende Antisemitismus.

Im Folgenden soll nicht nur die Haltung des gesamten Alpenvereins gegenüber seinen jüdischen Mitgliedern anhand der sogenannten Donauland-Affäre skizziert, sondern insbesondere die Haltung der Frankfurter Sektion vor der NS-Zeit beleuchtet werden.

Die Donauland-Affäre und Antisemitismus im Alpenverein
Karikatur 1924, Titel: "Der judenreine Alpenverein". Unter der Karikatur die Zeile: "So, jetzt sind wir ganz unter uns!"
Karikatur 1924, Titel: "Der judenreine Alpenverein".
Quelle: Paul Humpoletz in: Der Götz von Berlichingen 51/1924. ÖAV Archiv

Seit 1910 entschied der Hauptausschuss des Alpenvereins über die Aufnahme oder den Ausschluss von einzelnen Sektionen. Er bestand aus Vertretern aller Regionen aus Nord- und Süddeutschland sowie Österreich und sollte das Gesamtinteresse des Vereins vertreten – seine Mitglieder erneuerten sich laufend. Der Hauptausschuss verantwortete damit auch die politische Orientierung des Vereins und diese blieb bis 1919 neutral. Dies zeigt sich etwa daran, dass eine Einführung eines sogenannten „Arierparagraphen“ in die regionalen Satzungen, der den Ausschluss und die Nicht-Aufnahme von jüdischen Mitgliedern legitimiert hätte, konsequent verhindert wurde. Erst 1920 gelang den Sektionen Villach und Graz die Durchsetzung eines „Arierparagraphen“ – antijüdische Ressentiments, befeuert von starker medialer Aufmerksamkeit quer durch alle Zeitungen, waren da bereits auch in anderen Sportvereinen auf dem Vormarsch. Diese gipfelten unter anderem in der Abhaltung eines dreitägigen „Antisemitenkongresses“ im März 1921, auf dem sich antisemitisch eingestellte Vereine aus allen Disziplinen austauschen.

Die jüdischen Mitglieder zahlreicher österreichischer Sektionen nahmen die zunehmend antisemitische Stimmung zum Anlass, um sich in einer eigenen Sektion namens „Donauland“ zusammenzuschließen. Der Antrag von Oskar Marmorek und Guido Mayer an den Hauptausschuss macht deutlich:

„Damit existiert tatsächlich in der Millionenstadt Wien keine einzige Sektion des Deutschen und Österreichischen Alpen-Vereines mehr, welche Mitglieder ohne Unterschied der Nation und Konfession aufnehmen würde und in der Sektion ‚Austria’ ist für die nichtarischen Mitglieder und für diejenigen, welche mit der neuen Tendenz und dem Hineintragen der Politik in die alpinen Vereine nicht einverstanden sind, keine Möglichkeit des Verbleibens.“ (Marmorek und Mayer an HA, 21.3.1921; OeAV HA ZV 6.201)

Direkt nach der Aufnahme der Sektion Donauland auf dem Treffen des Hauptausschusses an Pfingsten 1921 – mit 14 zu 12 Stimmen denkbar knapp – begann die Agitation der anderen, insbesondere in Wien beheimateten Sektionen. Antijüdische Flugblätter und Rundschreiben gingen durch den Verein, Mitgliedern der Sektion Donauland wurden die Mitgliedsvergünstigungen auf Hütten oder sogar der Zutritt zu diesen verwehrt.

Da der Hauptausschuss zunächst hinter der Sektion Donauland stand, bemühten sich die antisemitischen Sektionen, dessen Zusammensetzung in ihrem Sinn zu beeinflussen. „Das Vorgehen dieser Sektionen ist unglaublich, und sollte in der H.-V. [Hauptversammlung] gebrandmarkt werden“, schrieb Max Moritz Wirth in seiner Funktion als Vertreter der Sektion Frankfurt im Juli 1922. Wirth behielt diese Haltung auch später bei: Als einziges Mitglied des Hauptausschusses stimmte er 1924 dagegen, dass der Ausschluss der Sektion Donauland vor der Generalversammlung zur Abstimmung gebracht werden sollte.

Außerdem gründete Eduard Pichl, einer der größten Agitatoren, den Deutsch-Völkischen Bund im Alpenverein, dem bald fast alle österreichischen und auch viele süddeutsche Sektionen angehörten. Der Bund führte nun eine zermürbende Guerilla-Taktik: Auf jeder Hauptversammlung wurde der Ausschluss der Sektion Donauland auf den Tisch gebracht, es folgten stundenlange, oft laut und aggressiv geführte Diskussionen. In den Monaten April und Mai 1924 kam es zu einem Kompromiss zwischen dem Deutsch-Völkischen Bund und dem Hauptausschuss: Der Bund würde sich auflösen, wenn man die Sektion Donauland zum freiwilligen Austreten bewegen konnte. Zudem verpflichteten sich die antisemitisch eingestellten Sektionen, für acht Jahre auf die Einführung eines generellen „Arierparagraphen“ zu verzichten. Doch hatten 1924 bereits 98 der 100 österreichischen Sektionen den „Arierparagraphen“ in ihren Satzungen verankert. Zudem hatten etwa 20 Prozent aller deutschen Sektionen einen "Arierparagraphen“ in ihren Satzungen oder wendeten einen solchen stillschweigend an.

Als die Sektion Donauland sich weigerte, bereitete der Hauptausschuss am 14. Dezember 1924 in München ihren erzwungenen Ausschluss vor. Auf der entscheidenden Abstimmung haben nur 16 Sektionen des DuOeAV gegen den Ausschluss der Sektion Donauland gestimmt, darunter neben Frankfurt am Main beispielsweise Aachen, Berlin, Essen, Gleiwitz, Leipzig, Mainz, Mannheim, Marburg und Nürnberg.

Die Folgen des Ausschlusses erschütterten den gesamten Alpenverein und brachten mehrere 100 Mitglieder dazu, auszutreten und sich neu zu organisieren, wie etwa in Berlin und München. Auch in den Medien stieß er auf ein breites Echo, gerade in Deutschland sah man den Alpenverein als Vorreiter des Antisemitismus an. So schrieb der Vorsitzende des Verbandes nationaldeutscher Juden, Max Naumann, in der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 10. Dezember 1924:

„Die Vorgänge im Alpenverein gehen in ihrer Bedeutung weit hinaus über den Rahmen interner Vereinspolitik. Sie sind in kleinem Rahmen ein Abbild dessen, was heute auf jedem Gebiete des deutschen Lebens vor sich geht."

Antisemitische, völkische und nationalsozialistische Strömungen hatte es im Verein also bereits vor 1933 gegeben. Die Frankfurter Sektion gab diesen Tendenzen lange keinen Raum.

Die Frankfurter Sektion - Vereinsstrukturen von 1919 bis 1933

Aus organisatorischer Perspektive bedeutete der Tod des langjährigen Präsidenten Prof. Dr. Theodor Petersen, der die Sektion seit ihrer Gründung 1869 geleitet hatte, einen tiefen Einschnitt. Am 24. März 1919 einigte man sich schließlich nach längerer Debatte auf die Vorstandsmitglieder Carl Barth, August Sachsse und Max Moritz Wirth; letzterer sollte die Sektion auch danach noch lange Zeit prägen. Das Jahr 1919 war zudem vom Umzug der Sektion aus den Privaträumen von Petersen in die Große Gallusstraße 9/II geprägt, wo man Geschäftsstelle und Bibliothek einrichtete.

Bei den Mitgliederzahlen gelang der Sektion eine kontinuierliche Steigerung. Hatte man am Ende des Ersten Weltkriegs nur 840 Mitglieder, so waren es im Jahr 1933 bereits 1488. Dass die Mitgliederzahlen nicht sprunghaft anstiegen, lag nicht zuletzt an der galoppierenden Hyperinflation der 1920er Jahre, die den Beitragspreis von 25 auf 1000 Reichsmark hochschnellen ließ. Gerade ältere Mitglieder schieden aus der Sektion aus, weil sie sich die Beiträge nicht mehr leisten konnten. Zwar gelang für einige Jahre eine einigermaßen stabile Sektionsführung, doch schon seit 1930 machte die Weltwirtschaftskrise die guten Finanzen der Sektion zunichte.

Die prekäre wirtschaftliche Lage der Nachkriegszeit wirkte sich auch auf das Sektionsleben aus. Nur durch sparsame Haushaltung gelang es der Sektion, das Vortragswesen wieder aufzunehmen, das den Mitgliedern eine Mischung aus wissenschaftlichen und touristischen Inhalten bieten sollte. Besonders hervorzuheben sind die Vorträge der Ausnahme-Alpinistin Eleonore Noll-Hasenclever, die etwa über ihre Durchquerung der Monte-Rosa-Ostwand referierte, oder die Ausführungen von Dr. Walter Bing, der einen jüdischen Hintergrund hatte, über mehrere Skitouren. Darüber hinaus gelang es der Sektion dank des unermüdlichen Engagements von Bing, beinahe jeden berühmten Bergsteiger oder Alpinisten dieser Zeit für einen Vortrag zu gewinnen. Eine weitere finanzielle Belastung waren Bauarbeiten an den sektionseigenen Hütten, insbesondere am Gepatschhaus und der Rauhekopfhütte.

Das Wanderprogramm beschränkte sich zu Beginn der 1920er vor allem auf den Großraum Frankfurt, die Touren gingen etwa in den Taunus, den Hochspessart, in die Rhön oder nach Heusenstamm. Nach der Gründung einer Klettergruppe wurden auch die benachbarten Wände, wie etwa die Eschbacher Klippen, zur Ausbildung genutzt. Erst in den späten 1920er Jahren konzentrierte man sich auch zunehmend auf ein alpines Winterprogramm. Walter Bing setzte sich außerdem für die Gründung einer "Hochturistischen Vereinigung" ein, die durch 1000 Reichsmark für Ausbildungsfahrten in das alpine Hochgebirge finanziert wurde. Um das Vereinsleben weiterhin attraktiv zu gestalten, veranstaltete man nicht nur regelmäßig Tanzabende und das bei der Stadtgesellschaft sehr gefragte Winterfest, sondern gab ab 1926 auch monatlich das "Nachrichten-Blatt" heraus, das rasch zum beliebtesten und wichtigsten Kommunikationsorgan avancierte.

Die Sektion im Gesamtverband

Auch im Gesamtverband war die Sektion aktiv und auf allen Hauptversammlungen zahlreich vertreten. Dies hing vor allem damit zusammen, dass die Sektion durch ihre hohe Mitgliederzahl und den Hüttenbesitz von vielen Beschlüssen der Versammlung tangiert wurde. Darunter waren etwa Entscheidungen zur finanziellen Förderung des Vortragswesens, der Umgang mit dem Wintertourismus und dem Hüttenwesen. Außerdem war insbesondere Max Moritz Wirth auch im Südwestdeutschen Sektionsverband aktiv, in dem sich auch die Nachbarsektionen Darmstadt oder Wiesbaden befanden. Ziel des Verbands war es, gemeinsame inhaltliche und organisatorische Details, wie etwa die Hüttenbewirtschaftung oder die Höhe der Mitgliederbeiträge abzustimmen, um auch gegenüber dem Gesamtverband eine einheitliche Linie vertreten zu können.

Frankfurt und die Donauland-Affäre

Max Moritz Wirth saß mehrfach als Vertreter im Hauptausschuss, darunter auch von 1920 bis 1924, und musste sich damit zur oben beschriebenen "Donauland-Affäre" positionieren. Gemeinsam mit anderen südwestdeutschen und rheinländischen Sektionen verfolgte Wirth eine liberale Linie. Er stimmte im Dezember 1924 als einziges Mitglied des Hauptausschusses gegen den Ausschluss der Sektion Donauland. Welche Haltung die Sektion Frankfurt intern vertrat, lässt sich nur aus wenigen Aussagen rekonstruieren. So heißt es im Bericht für die Jahre 1919 bis 1924, dass man "von den peinlichen Vorgängen und Erörterungen […] unberührt geblieben" sei. Auf der Feier zum 60-jährigen Sektionsjubiläum betonte der erste Vorsitzende Prof. Dr. Matthias Friedwagner explizit die unpolitische Haltung der Frankfurter Sektion in Zeiten größter Zerrissenheit des Gesamtverbandes, "die es der Sektion eigentlich erst ermöglicht habe, Bergsteiger der verschiedensten Lebensanschauungen, Berufe und Herkunft zu einer mächtigen Körperschaft zu vereinigen."

Auf das Vereinsleben selbst hatte die "Donauland-Affäre" also keinen Einfluss. Die Sektion hielt bis 1933 diese Ausrichtung aufrecht, jüdisch-stämmige Mitglieder wie Ernst Meissinger, Walter Bing und Arthur Kutz waren auf zentralen Positionen aktiv. Dazu passt auch die Aussage des Geheimrats Prof. Dr. Matthias Friedwagner im März 1930:

"Wir fragen nicht nach der politischen oder konfessionellen Eigenart, sondern nur nach dem Anstand derer, die sich uns anschließen, nach dem alpinen Herzen, das Verständnis für das Große, Schöne und Ideale in sich birgt" (Nachrichten-Blatt Nr. 3 vom März 1930, S. 36).

Die verschiedenen Konfessionen, die Friedwagner erwähnt, inkludierten zu dieser Zeit neben den christlichen Religionen auch das Judentum. Diese Haltung änderte sich mit dem Beginn der NS-Diktatur 1933.

Abkürzungen und Literatur

Achrainer 2009: Martin Achrainer, „So, jetzt sind wir ganz unter uns!“ Antisemitismus im Alpenverein, in Hanno Loewy – Gerhard Milchram (Hgg.) „Hast du meine Alpen gesehen?“ Eine jüdische Beziehungsgeschichte, Hohenems 2009, 288 – 317.

Martin Frey, Chronik der Sektion Frankfurt am Main, erscheint 2023.

Kundt 2009: Klaus Kundt, Erfolge – Intrigen – Intoleranz. Die Geschichte der Berliner Bergsteiger bis 1945, Teil 2 (Schriften der DAV Sektion Berlin 3 – Teil 2), Berlin 2009.

Siehe auch: Klaus Kundt: „Juden und Mitglieder der Sektion Donauland unerwünscht“. In: Gedenkstättenrundbrief 117, S. 19-28, online abrufbar: Link zum Text