Die Frankfurter Sektion zur Zeit des Nationalsozialismus

Sektionsmitglieder mit Hakenkreuz-Fahne auf dem Weg zur Einweihung des AV-Hauses Oberreifenberg, Mitte der 30er Jahre.
Sektionsmitglieder unterwegs zur Einweihung des AV-Hauses Oberreifenberg, Mitte der 30er Jahre.
Quelle: Archiv der Sektion Frankfurt am Main

Bald nach Adolf Hitlers Ernennung zum Reichskanzler im Januar 1933 gerieten auch die Sportvereine in den Fokus der Nationalsozialisten. Nur ein Jahr später war die thematische und organisatorische Gleichschaltung aller Vereine unter dem Dachverband DRL (Deutscher Reichsbund für Leibesübungen) abgeschlossen. Auch die Frankfurter Sektion des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins blieb davon nicht ausgenommen: Die politischen Vorgaben der nationalsozialistischen Partei, aber auch des Alpenvereins führten zu tiefgreifenden strukturellen Veränderungen, wie dem Ausschluss von als jüdisch verfolgten Mitgliedern und der Wahl von parteitreuen Sektionsführern. Darüber hinaus beeinflussten sie auch das Vereinsleben zur NS-Zeit und wirkten bis in den Lebensalltag jedes einzelnen Mitglieds hinein.

 

Personelle und strukturelle Veränderungen in den 1930er Jahren
Reichssportführer v. Tschammer u. Osten (links vorn) im Gespräch mit DAV-Führer Seyss-Inquart. In der Mitte hinten lächelt Sektionsführer Seng. Sommer 1938, es handelt sich mutmaßlich um eine Fotomontage.
Reichssportführer v. Tschammer u. Osten (l. vorn) im Gespräch mit DAV-Führer Seyss-Inquart im Sommer 1938. Hinten (Mitte) lächelt Sektionsführer Seng. Mutmaßlich eine Montage.
Quelle: Fritz Kempf/Archiv der Sektion Frankfurt am Main

Erzwungene personelle Anpassungen innerhalb des Alpenvereins – die neue parteitreue Führung war bereits im Frühjahr 1933 von Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten ernannt worden – wirkten sich auch auf die Frankfurter Sektion aus. Im Nachrichtenblatt vom April 1933 wird unter der Rubrik "Aus dem Sektionsleben" berichtet: "Die gewaltige Erhebung unseres deutschen Vaterlandes, die eine Wende der Geschichte hervorgerufen hat, wird auch auf den D. u. Oe. A.V. nicht ohne Einwirkung bleiben." Nur wenig später, am 17. Juli 1933, trafen sich die Mitglieder zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung, um einen neuen Sektionsausschuss zu wählen. Der amtierende Vorstand war mit Verweis auf die neue politische Lage zurückgetreten. Drei Männer stellten sich zur Wahl: Der Patentanwalt und bisherige erste Vorsitzende Max Moritz Wirth, der Amtsgerichtsrat Dr. Ernst Wildberger und der Studienreferendar Walter Baecker. Die Mitglieder entschieden sich mit 89 von 191 Stimmen für Wirth, doch blieb dieser nicht lange im Amt. Bereits im September erklärte sich der 33 Jahre alte Dr. Wildberger, der bisher in der Sektion kaum in Erscheinung getreten war, zum neuen "Sektionsführer" – er hatte im Juli 1933 die zweitmeisten Stimmen erhalten. Die tatsächlichen Hintergründe für diesen Führungswechsel sind unbekannt. Dem Nachrichten-Blatt vom September 1933 ist nur zu entnehmen, dass Wirth die Wahl aus persönlichen Gründen nicht angenommen habe – die Ernennung zum Stellvertreter Wildbergers akzeptierte er jedoch. Wildberger bekräftigte an gleicher Stelle die geplante Ausrichtung der Sektion an den "nationalen, völkische und volksverbundenen Idee(n) des nationalsozialistischen Staates." Diese Inhalte konnte er auch durch seine Mitgliedschaften glaubhaft vertreten: Seit Mai 1933 war Wildberger Mitglied der NSDAP sowie Scharführer bei der SA (Sturmabteilung). Nur ein knappes Jahr darauf folgte ihm Dr. Rudolf Seng als Sektionsführer, der bis zum Kriegsende der bestimmende Funktionär in Frankfurt bleiben sollte. Innerhalb der Sektion war Seng kein Unbekannter: Er hatte seit 1926 das Amt des Führerreferenten und des Referenten für Hütten- und Wegebau inne, kannte sich also mit den internen Strukturen bestens aus.

Unter Wildberger und Seng wurde der Ausschluss von als jüdisch verfolgten Mitgliedern aus der Sektion umgesetzt. Die juristische Handhabe für die Umstrukturierung der Sektion bot ihnen der sogenannte "Arierparagraph", der vorsah, Juden und Jüdinnen systematisch aus dem öffentlichen Leben auszuschließen – darunter auch aus Sportvereinen. Das Mitgliederschreiben vom Juli 1933 berichtet von einer Abstimmung über den "Arierparagraphen" in einer Mitgliederversammlung, mit dem Ergebnis, daß künftig Nichtarier nicht mehr als Mitglieder aufgenommen werden dürfen." Die dafür nötige Satzungsänderung wurde erst 1934, erneut auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung, offiziell beschlossen. Der aktive Ausschluss von als jüdisch verfolgten Sektionsmitgliedern war damit aber nicht vorgeschrieben und scheint von der Sektion auch nicht komplett umgesetzt worden zu sein. Einzelne jüdische Mitglieder, die bereits vor 1914 in der Sektion aktiv waren, sind noch Jahre nach 1933 als Sektionsmitglieder nachweisbar. Vollständige Listen der Betroffenen sind nicht bekannt, doch betraf die Verfolgung wohl über 120 als jüdisch bezeichnete Mitglieder der Frankfurter Sektion, darunter das Vorstandsmitglied Dr. Arthur Kutz, der aus vorgeblich beruflichen Gründen 1933 nicht mehr zur Wahl für den neuen Ausschuss zur Verfügung stand, oder Ernst Meissinger, der von Seng wegen seiner jüdischen Mutter ausgeschlossen wurde, obwohl er evangelisch war. Seit 1934 galt nun auch das "Führerprinzip": Der Sektionsführer entschied in allen Angelegenheiten allein oder unter Beratung mit dem Beirat, den er selbst ernannte.

Angesichts der parteitreuen Führung durch Seng ist die Wahl von Dr. Kurt Blaum zum Referenten für das Vortragswesen umso erstaunlicher und deshalb erwähnenswert. Die Nationalsozialisten hatten Blaum als Oberbürgermeister von Hanau abgesetzt, da dieser Widerstand gegen ihre Ideologie geleistet hatte. Blaum blieb von 1935 bis 1945 Vortragsreferent, bis er von den Amerikanern nach Kriegsende zum Oberbürgermeister Frankfurts ernannt wurde.

Die Sektion setzte die ideologischen und personellen Vorgaben linientreu um. Direkte Berichte über Widerstand gegen die Umstrukturierung des Vorstands gibt es nicht, doch die Mahnung Sengs im Nachrichtenblatt vom März 1934, "daß nunmehr wieder Ruhe und Disziplin bei den Mitgliedern einkehren" möge, deutet zumindest auf Unstimmigkeiten hin. Bemerkenswert ist auch ein Generationenwechsel: Viele altgediente Referenten traten nicht mehr zu Vorstandswahlen an oder zogen sich aus dem aktiven Vereinsleben zurück.

Nicht nur sektionsintern änderten sich die Strukturen. 1934 wurde die Sektion mit dem gesamten Alpenverein dem Deutschen Bergsteiger- und Wanderverband (Fachamt Bergsteigen) angegliedert, ab 1938 dem Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen (NSRL), der direkt der NSDAP unterstand. Mit dieser Mitgliedschaft musste der nun so benannte "Frankfurter Zweig", der dem Bergsteigergau XII angehörte, nicht nur eine neue Einheitssatzung verabschieden, sondern setzte auch das NS-Emblem auf die Nachrichtenblätter.

Sektionsleben während der NS-Zeit
Das Gepatschhaus im Jahr 1939 mit selbstgemalter Hakenkreuzfahne.
Das Gepatschhaus im Jahr 1939 mit selbstgemalter Hakenkreuzfahne.
Quelle: Archiv der Sektion Frankfurt am Main

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten brachte nicht nur die oben beschriebenen organisatorischen und strukturellen Veränderungen mit sich. Die Sektion kämpfte auch mit negativen Auswirkungen auf die Mitgliederzahlen. Zum einen führte, wie im Jahresbericht für 1933 vermerkt wurde, "der Austritt einer Anzahl nichtarischer Mitglieder" zu einem Rückgang. Auch die wirtschaftlichen Nöte im Rahmen der Weltwirtschaftskrise trugen ihren Anteil dazu bei. Insbesondere die Jugendgruppe verlor im Laufe des Jahres 1933 zudem fast zwei Drittel ihrer Mitglieder, da die Jungen und Mädchen zunehmend zur Mitgliedschaft in der "Hitlerjugend" und dem "Bund deutscher Mädel" gezwungen wurden.

Der Mitgliederschwund lässt sich darüber hinaus auch mit der sogenannten "Grenzsperre" erklären. Die deutsche Reichsregierung hatte aus politischen Gründen das "Gesetz über die Beschränkungen der Reisen nach der Republik Österreich" erlassen, das die Einreise nach Österreich nur gegen Zahlung von 1000 Reichsmark erlaubte. Für Sektionen mit Hüttenbesitz auf österreichischem Territorium, wie es auf Frankfurt zutraf, bedeutete dies empfindliche Einnahmenverluste. Auch Ausflüge in die Berge wurden zunehmend beschwerlich, so dass sich die Frankfurter auf den nahen Odenwald und den Taunus konzentrierten. Erst das Jahr 1936 brachte durch die Aufhebung der strengsten Beschränkungen wieder Erleichterung.

Die nationalsozialistische Umgestaltung und Militarisierung der deutschen Gesellschaft machte sich auch in der Frankfurter Sektion bemerkbar: Nunmehr traten neben Wanderungen "Marschübungen" und aus Nachtwanderungen wurden "Nachtmarschübungen". Allerdings war die Teilnahme anfangs eher gering. So hieß es im Nachrichten-Blatt Nr. 2 vom Februar 1934 hinsichtlich eines Nachtmarsches am 4. November 1933 generalisierend: "Die Beteiligung bei diesen Wehrsport-Übungen muss besser werden." Im Bericht über das Vereinsjahr 1933 wurde ausdrücklich vermerkt, dass sich besonders "bei der Jungmannschaft die aktive Teilnahme vieler Mitglieder bei SS, SA und Stahlhelm bemerkbar" machte. Dies ist ein Beleg dafür, dass Sektionsmitglieder an der Errichtung der NS-Diktatur auf lokaler Ebene im Rahmen des Terrors der SA und SS mitwirkten.

Auch der Erste Weltkrieg rückte stärker in den Fokus der Vortragstätigkeit, dabei nicht nur auf den Krieg im Alpenraum konzentriert. Beispielsweise berichtete im März 1935 Karl Wißwässer bei einem Vortragsabend der Jungmannschaft über den Krieg in der früheren deutschen Kolonie Kiautschou (Qingdao, China). Auch kamen Schießübungen und -wettkämpfe als Angebot der Sektion hinzu. Ab Januar 1934 gab es für die Jungmannschaft und für die Bergsteigergruppe bei "Waffen-Plett" in der Neuen Mainzerstraße 77 Schießabende. Hier musste nach Anlaufen der 14-täglichen Schießabende noch ausdrücklich um rege Beteiligung gebeten werden.

Aber auch Preisschießen wurden veranstaltet, etwa am 11. Oktober 1936 auf der Schießbahn beim Alpenvereinsheim Oberreifenberg: "Die besten Schützen wurden mit einer von Kamerad Flach gemalten Ehrenscheibe belohnt" (Nachrichten-Blatt Nr. 5 vom November 1936). Im November 1937 wurde im Nachrichtenblatt erstmals dafür geworben, sich als Freiwilliger für die Wehrmacht und zwar für das Gebirgs-Pionierbataillon 54 in Mittenwald zu melden. Im Dezember desselben Jahres folgte bereits die Werbung für den freiwilligen Dienst im Gebirgsjägerregiment 98 in Garmisch-Partenkirchen.

Mit großer Begeisterung nahm der Alpenverein den "Anschluss" Österreichs an Nazideutschland im Jahr 1938 zur Kenntnis und änderte daraufhin seinen Namen von "Deutscher und Österreichischer Alpenverein" in "Deutscher Alpenverein". Im Nachrichtenblatt vom April 1938 heißt es, dass man nun "am Ziel der völkischen Einigung" sei. "Mit heißem Dank an den Führer (steht man) einsatzbereit zu weiterem Wirken mit eisernem Willen nach Bergsteigerart" (Nachrichten-Blatt Nr. 4 vom April 1938, S. 33).

Die Angliederung Österreichs brachte dem Alpenverein auch wirtschaftliche Vorteile und bald florierte das Vereinswesen wieder. Trotz des Kriegsbeginns lief der Betrieb der Frankfurter Sektion auch während des Zweiten Weltkriegs zunächst erstaunlich konstant weiter. Es gab in den frühen 1940er Jahren sogar einen regen Mitgliederzuwachs. Insbesondere junge Männer und Jugendliche strömten in so großer Zahl in die Sektion, dass man die Eintritte mit dem Verweis auf zu wenige Jugendgruppenleiter regulieren musste. Diese neue Begeisterung hing wohl ebenso mit dem nationalsozialistischen Körperkult zusammen wie mit einer neuen Popularität von Berg- und Skisport – die Mitgliedschaft im Verein brachte zudem Vergünstigungen. Dieser Trend hielt jedoch nicht lange an: Der Weltkrieg forderte seinen Tribut. Im Frühjahr 1944 stand nur noch eine Bergfahrtenführerin zur Verfügung, alle anderen Bergführer und Bergwarte waren in die Wehrmacht eingezogen worden.

Auch die Mitgliedschaft im NS-Reichsbund für Leibesübungen (NSRL) erzwang in den 1940er Jahren eine neue Einheitssatzung, die die Sektion Frankfurt im Mai 1943 ohne Änderungen übernahm. Sie sah unter anderem vor, dass "Angehörige des Zweiges […] nur Personen deutschen oder artverwandten Blutes sein" (Einheitssatzung vom 7. Mai 1943, § 4 Absatz 3) durften – dies war die bis dahin schärfste Formulierung des "Arierparagraphen".

Dass die Sektion noch 1943 beschlussfähig war, zeigt, wie lange ein einigermaßen regulärer Betrieb sichergestellt werden konnte. Dies beendeten schließlich zwei Luftangriffe im Januar und März 1944, bei denen ein Großteil von Frankfurt zerstört wurde, darunter auch die Geschäftsstelle der Sektion. Trotz aller Widrigkeiten bemühte man sich, den Kontakt zu den Mitgliedern und die Tätigkeit der Sektion aufrecht zu erhalten, doch war dies nunmehr nur noch sehr beschränkt möglich.

Am 7. April 1946 traf sich die Sektion erstmals nach drei Jahren wieder zu einer Mitgliederversammlung, um sich zu sortieren und die Verantwortlichen neu zu wählen. Da der Zweigführer Dr. Rudolf Seng verstorben war, leitete Dr. Max Moritz Wirth kommissarisch durch die Sitzung. Bemerkenswert ist vor allem Wirths Leugnung des Arierparagraphen:

"Der Alpenverein ist ein unpolitischer Verein und duldet keinerlei, irgendwelche [sic] Politik in seinen Reihen, soweit das offizielle Arbeiten des Alpenvereins in Frage kommt. Wir haben auch die Rassengeschichte nicht mitgemacht. Weder haben wir dem Arierparagraphen seinerzeit zugestimmt, noch haben wir Mitglieder aus rassischen Gründen entfernt. Das war keine politische Einstellung, sondern es war der reine Anstand" (Protokoll der 74. Hauptversammlung, 7. April 1946, S. 12),

So die Sätze Wirths in seiner Rede an die Mitglieder. Noch auf dieser Versammlung erklärte die Sektion alle vorangehenden Einheitssatzungen für ungültig und kehrte zu ihrer alten Satzung von 1929 zurück – genauso wie zum alten Namen "Alpenverein Frankfurt am Main." Die Aufarbeitung der NS-Zeit war in der Nachkriegszeit nicht gewollt.

Die Umsetzung nationalsozialistischer Ideologie

Spätestens mit der Eingliederung in den NSRL vertrat Frankfurt, genauso wie der Gesamtverein, die ideologische Linie der NSDAP. Dies äußerte sich zunächst an den zunehmend hetzerischen und aggressiv-militärischen Formulierungen des Nachrichtenblatts. So feierte man im Nachrichtenblatt im Juni 1939 die Besetzung "Böhmens und Mährens" mit einer "Hochstimmung der Gefühle" und sei "mit dem Herzen an der Seite des Führers mit nach Prag geeilt, wobei Bergsteiger in der ersten Linie standen." Großdeutsche Gefühle hatte zuvor schon der Anschluss Österreichs ausgelöst, wobei der Alpenverein hier wohl nicht nur nationalsozialistischem Gedankengut folgte, sondern davon auch organisatorisch und ökonomisch stark profitierte.

Insbesondere die ideologische Verbindung des Bildes vom furchtlos kämpfenden Soldaten mit dem starken, unerschrockenen Bergsteiger bot sich für den Verein an. Man feierte die körperliche Stärke der Mitglieder in Verbindung mit ihrem bergsteigerischen Können, das sie insbesondere für die Gebirgstruppe qualifizierte. Diese galt als Eliteeinheit und wurden später in Italien und Griechenland eingesetzt. Entsprechend betonte der Gesamtverband im Jahresbericht von 1939/1940 seinen Stolz, einen Beitrag "im Dienste der Wehrhaftmachung aller Deutschen leisten zu dürfen." Der Zweigführer Rudolf Seng feierte in seinem Weihnachtsgruß von 1940 zudem die Opferbereitschaft und Treue der Bergsteiger, die alle Kräfte mobilisierten, um dazu beizutragen, dass "Deutschland sich den Platz an der Sonne erkämpft, den es verdient".

Neben aller Kriegsrhetorik war militärischer Drill tatsächlich längst Teil der Ausbildung insbesondere der Jungmannschaften, stets eng verzahnt mit nationalsozialistischer Ideologie. 1940 musste zudem das Gepatschhaus für Heeresübungen zur Verfügung gestellt werden; der reguläre Hüttenbetrieb war ohnehin längst eingestellt worden.

Und schließlich übernahm der Alpenverein auch die antisemitische Hetze der Nationalsozialisten. Gerade die Sektion Frankfurt hatte sich diesen antisemitischen Strömungen, die sich schon in den 1920er Jahren im Gesamtverein etwa in Form der sogenannten Donauland-Affäre äußerten, lange ferngehalten. 1933 und damit später als in anderen Sektionen wurde ein "Arierparagraph" eingeführt. Bis Anfang 1933 war mit Dr. Arthur Kutz ein jüdisches Mitglied im Vorstand der Sektion aktiv. Ab 1933 änderte sich die Ausrichtung der Frankfurter Sektion, sie passte sich nationalsozialistischem Gedankengut an. Die immer wieder nachgeschärften Einheitssatzungen, die für alle Sektionen gleichermaßen galten, brachten den gesamten Verein auf Linie. Die "Pflege des Volksbewusstseins im Geiste des nationalsozialistischen Staats" wurde 1938 in Paragraf 2 der Einheitssatzung verankert.

Die Satzungen boten dem Verein im Umgang mit als jüdisch bezeichneten Mitgliedern geringen Handlungsspielraum. So erläuterte Dr. Arthur Seyß-Inquart, u.a. von März 1938 bis Mai 1939 Reichsstatthalter der Ostmark (Österreich) und Führer des Deutschen Alpenvereins, im Februar 1940 in einem vertraulichen Brief an die Zweigstellen den Umgang mit sogenannten "Juden-Mischlingen", also Personen mit einem jüdischen Eltern- oder Großelternteil:

"Ich halte die Neuaufnahme von Mischlingen jeden Grades in den DAV für untragbar, da sie die Geschlossenheit und den kameradschaftlichen Zusammenhalt innerhalb der einzelnen Zweige und der Zweige untereinander stören würde. Aufnahmeanträge von Mischlingen in den DAV sind daher grundsätzlich abzulehnen […] Mischlinge, die schon Mitglieder sind, können wegen ihrer Eigenschaft als Mischlinge allein nicht ausgeschlossen werden."

Nicht immer lässt sich zweifelsfrei rekonstruieren, wie die Frankfurter Sektion diese Vorgaben umsetzte und ob als jüdisch verfolgte Mitglieder Teil der Sektion blieben. Mit dem Ausschluss von Ernst Meissinger, dessen jüdische Mutter ihn nach nationalsozialistischem Duktus zu einem "Mischling" machte, wird aber deutlich, dass Rudolf Seng auch ohne rechtliche Grundlage aktiv gegen Sektionsmitglieder mit jüdischem Hintergrund vorging. So wie die Frankfurter Sektion eine bis 1933 offene und liberale war, ist sie bereits 1935 eine explizit nationalsozialistische gewesen. Allerdings scheint sie jüdische Mitglieder, die bereits vor 1914 der Sektion beigetreten waren, bis in die zweite Hälfte der 1930er Jahre nicht zwingend ausgeschlossen zu haben, wie an dem Rechtsanwalt Dr. jur. Alfred Carlebach und dem Arzt Dr. med. Arthur Marum gezeigt werden kann: Beide erhielten 1937 das silberne Edelweiß für ihre 25-jährige Mitgliedschaft im Deutschen und Österreichischen Alpenverein und wurden namentlich im Nachrichten-Blatt der Sektion unter den ausgezeichneten Mitgliedern genannt.

Abkürzungen und Literatur

Achrainer 2009: M. Achrainer, "So, jetzt sind wir ganz unter uns!" Antisemitismus im Alpenverein, in H. Loewy – G. Milchram (Hgg.) "Hast du meine Alpen gesehen?" Eine jüdische Beziehungsgeschichte, Hohenems 2009, 288 – 317.

Martin Frey, Chronik der Sektion Frankfurt am Main, in Vorbereitung.

Nachrichten-Blatt der Sektion Frankfurt am Main.

RGBI: Reichsgesetzblatt Teil 1, hg. Reichministerium des Inneren, Berlin 1922 – 1945.

BGS: Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Alpenvereins.