Familie

Walter Bernard Bing, in französischen Quellen auch Walther geschrieben, wurde am 19. April 1891 als Sohn des jüdischen Kaufmanns Eugen Max Bing und seiner jüdischen Ehefrau Emma Bing, geb. Heumann (1862-1939), in Markirch im Elsass, damals Teil des Deutschen Reiches, geboren. Sein Vater Eugen Max Bing betrieb zusammen mit Siegmund Hallenstein (1892 verstorben) seit 1879 eine Weberei im oberen Teil von Markirch mit dem Namen "Hallenstein & Bing". Ob und wie der im Januar 1894 in Markirch geborene Erwin Bing mit Walter Bing verwandt ist, konnte bisher nicht geklärt werden. 1904 zog die Familie Bing nach Straßburg, wo sie erstmals im Straßburger Adressbuch von 1905 mit der Adresse Hohenlohestraße 24 verzeichnet ist. Nach dem Abitur studierte Walter Bing anschließend von 1908 bis 1913 Jura und Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Straßburg, München und Berlin. Walter Bing wurde 1914 mit der Arbeit "Die fiduziarischen Rechtsgeschäfte im Konkurse des Treuhänders" an der Universität Straßburg zum Dr. jur. promoviert. Zu dieser Zeit sind seine Eltern im Adressbuch der Stadt Straßburg mit Kochstaden 12 verzeichnet. Er selbst hatte vermutlich noch keinen eigenen Hausstand. Laut Lebenslauf in seiner Dissertation hat er nach der juristischen Staatsprüfung im Januar 1914 bis Kriegsbeginn als Referendar am Amtsgericht Illkirch gearbeitet.

Über den Beginn seines Kriegsdienstes gibt es zwei Versionen: Einmal ist er im September 1914 als Soldat zum Kriegsdienst eingezogen worden. Ein anderes Mal ist er als Kriegsfreiwilliger in die Armee eingetreten. 1916 hat Walter Bing als Vizefeldwebel d. R. Dienst bei einem bayerischen Jägerbataillon geleistet. Er ist im Oktober 1917 schwer verwundet worden. Noch im November 1918 erhielt Bing das Eiserne Kreuz I. Klasse.

1918 heirateten Dr. Walter Bing und Grete Bloch (verstorben 1954 in Paris). Ihr Bruder Paul J. Bloch war - wie später Walter Bing - als Journalist tätig, unter anderem beim Berliner Börsen-Courier. Im Juli 1919 wurde der Sohn Ernst, auch Ernest, Bing geboren. Die Familie zog wiederholt um: Zuerst wohnte sie in der Eysseneckstraße 41, ab 1924 in der Liebigstraße 37, dann in der Feldbergstraße 7. Laut Frankfurter Adressbücher lebte interessanterweise im selben Haus von 1927 bis 1944 Prof. Dr. Walter Behrmann. Ob der Umzug zustandegekommen ist, weil sich beide aus der Sektionsarbeit sehr gut kannten?

Während das Frankfurter Adressbuch Walter Bing im Jahrgang 1934 noch in der Feldbergstraße auflistete, nannte das Adressbuch des folgenden Jahres als seine Wohnanschrift die Savigny-Straße 55. Seine Mutter Emma Bing wohnte zu dieser Zeit in der Staufenstraße 31. Der Sohn Ernst ging damals auf das Lessing-Gymnasium, eine Schule, die 1937 mit rund 7,5 Prozent in Frankfurt den höchsten Anteil sogenannter "nicht-arischer" Schüler aufwies. Ende 1936 verließ die Familie Bing zwangsweise Frankfurt und ging nach Straßburg.

Beruflicher Werdegang
Dr. Walter Bing: Wirtschaft und Währung Frankreichs. Fritz Knapp Verlag Frankfurt am Main 1956

Nach der erfolgreich bestandenen ersten juristischen Staatsprüfung im Januar 1914 arbeitete Walter Bing als Referendar am Amtsgericht Illkirch, das zum Bezirk des Landgerichts Straßburg gehörte. Nach seinem Kriegsdienst lebte er ab 1919 in Frankfurt am Main. Dort arbeitete Walter Bing zuerst als Banksekretär für die Allgemeine Elsässische Bankgesellschaft Straßburg. Während er im Frankfurter Adressbuch 1927 noch in der Liebig-Straße 37 lediglich als Dr. jur. aufgeführt wurde, heißt es im Adressbuch des Folgejahres schon "Dr. jur., Journalist". Dies beruht darauf, dass Walter Bing ab April 1927 nur noch als Journalist arbeitete. Er hatte eine Anstellung bei der angesehenen Frankfurter Zeitung als Sportjournalist gefunden. Im damals begründeten Verein Frankfurter Sportpresse war er an führender Stelle tätig, ab 1929 sogar als Vorsitzender. Im reichsweiten Verein Deutsche Sportpresse ist er zum 2. Vorsitzenden gewählt worden. Walter Bing veröffentlichte zahlreiche Beiträge – auch in anderen Zeitungen, etwa beim Berliner Börsen-Courier, wo sein Schwager arbeitete, und dem Hamburger Fremdenblatt.

Darüber hinaus war Walter Bing als Buchautor aktiv: Zum Beispiel publizierte er 1932 mit "Drei Jungens am Seil" und 1933 mit "Bob wird Tennismeister" zwei Jugendbücher im Franz Schneider Verlag, Leipzig. Im Umfeld des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins hat er an Schriften verschiedener Sektionen mitgewirkt. Wir finden ihn etwa als Autor des Bayerländer (Sektion Bayerland). Dort veröffentlichte Walter Bing im November 1925 einen Nachruf auf den ebenfalls beinamputierten jüdischen Bergsteiger Otto Margulies:

"Ein einziges Mal in meinem Leben habe ich Otto Margulies gesehen; ich habe viele Briefe mit ihm gewechselt in der Donaulandsache und in alpinen Fragen überhaupt. Niemals aber ward es mir vergönnt, mit ihm in die Berge zu gehen. Mancher wird fragen, warum ich ihm dann diesen Nachruf schrieb, um dessen Abfassung mich diejenigen baten, die ihm weit näher standen als ich: Weil nur der ganz zu begreifen vermag, was Otto Margulies als Mensch und Alpinist physisch und moralisch geleistet hat, der selbst, wie er von einem harten körperlichen Geschick betroffen, Bergen und Menschen mit den gleichen Anschauungen gegenüberstehend wir er, sein Bergsteigerleben auf völlig veränderter Grundlage von Neuem beginnen musste."

Für die Nachrichten der Alpenvereinssektion Donauland und des Deutschen Alpenvereins Berlin hat er zum Beispiel im März 1926 einen Beitrag über Berg- und Skifilme veröffentlicht. Des Weiteren publizierte Walter Bing in Sportzeitschriften und Jüdischen Zeitungen. Seine Beiträge finden sich etwa in Der Bergsteiger und in Tennis & Golf. In der Central-Verein-Zeitung berichtete er im Januar 1928 über antisemitische Tendenzen im DuOeAV. Walter Bing hat auch wiederholt im Südwestdeutschen Rundfunk Frankfurt gesprochen.

Bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 war Walter Bing journalistisch sehr aktiv und erfolgreich. Als Jude und Franzose konnte er nicht Mitglied der 1933 gegründeten NS-Reichskulturkammer bzw. ihrer Unterorganisationen wie der Reichspressekammer oder der Reichsschrifttumskammer werden. Damit galt für ihn ein weitgehendes Berufsverbot, denn er durfte nur noch für jüdische und ausländische Presseorgane tätig werden.

Nach seiner Zwangsausweisung aus dem Deutschen Reich baute sich Walter Bing ab Ende 1936 in Frankreich eine neue Existenz als Journalist auf. Er war bereits während des Zweiten Weltkrieges für Schweizer Zeitungen, etwa die Automobil-Revue, tätig und blieb dies bis zu seinem Tode 1980. Außerdem ist er auch wieder als Buchautor aktiv geworden: 1956 erschien eine Arbeit über "Wirtschaft und Währung Frankreichs im Spiegel der Jahresberichte der Banque de France" im Knapp Verlag Frankfurt am Main.

Rolle in der Sektion

Walter Bing trat bereits mit 19 Jahren der Sektion Straßburg des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins bei. Während seines Studiums in München ist er im Jahr 1912 auch Mitglied der Sektion Bayerland geworden. Er blieb nachweislich der Jahresberichte der Sektion Bayerland trotz seiner Rückkehr ins Elsass Mitglied dieser Sektion. Nachdem Elsass-Lothringen nach dem Ersten Weltkrieg Teil Frankreichs wurde, siedelte Walter Bing mit seiner Familie nach Frankfurt am Main über. 1922 ist er dann Mitglied der Frankfurter Sektion geworden.

Hier entfaltete er alsbald eine rege Tätigkeit. Bereits 1923 hat er erste Vorträge in Frankfurt gehalten: am 12. März über "Ski-Hochtouren in den West- und Ostalpen" und am 10. Dezember über "Eine Traversierung des Totenkirchl". Zahlreiche weitere folgten, beispielsweise im März 1925 über seine "Erinnerungen von der Dolomitenfront" und im Dezember 1926 ein Lichtbildervortrag über "Meine alpinen Lehr- und Wanderjahre". Das Jahr 1926 markiert einen wichtigen Punkt in Dr. Walter Bings Tätigkeit für die Sektion Frankfurt am Main: Er wurde auf der Jahreshauptversammlung im März zu einem der zwei Ersatzmänner für die Kassenprüfer gewählt, und zwar an Stelle des verstorbenen Hans Silomon. Diese Funktion behielt er zwei Jahre lang, denn erst auf der Jahreshauptversammlung im März 1928 wurden Paul Gentsch und Georg Seelbach als Ersatzmänner der Rechnungsprüfer neu gewählt. Im Jahr 1929, zur 60-Jahr-Feier der Sektion, überbrachte Walter Bing auf dem offiziellen Festakt "in kurzen Worten den Glückwunsch und die Grüße der Sektion Bayerland-München und ihres Vorsitzenden", damals August Ammon (1888-1943). Dies zeigt sein damals hohes Ansehen in den Sektionen Frankfurt und Bayerland.

Außerdem trat Walter Bing der damals neu gegründeten "Hochturistischen Vereinigung" (HTV) bei, die sich ganz dem Bergsteigen widmete. Bereits im Dezember 1926 veröffentlichte er im Nachrichten-Blatt unter dem Titel: Was wir wollen! Zweck und Ziele der "Hochturistischen Vereinigung" einen programmatischen Artikel über diese neue Gruppe in der Sektion. Darin schrieb Bing:

"Wir haben alle nur ein Ziel: Deutsche Bergsteiger zu sein, und das heißt uns: In den Bergen die Hand des anderen über die Gegensätze des Alters, der sozialen Stellung, des politischen und religiösen Bekenntnisses hinweg zu suchen und zu finden … Jeder, der im wahren Bergsteigertum das sieht, was wir in ihm sehen: eine Schule der Selbstzucht und Kameradschaft, eine Schule der Prüfung unserer Herzen und unserer Sinne in der Liebe zur Natur und in der Achtung vor der Kreatur, soll uns willkommen sein. Wer in unsere Reihen tritt, der sei sich darüber klar, daß es auch für ihn gilt zu kämpfen, nicht gegen die Gesinnung des Anderen, die wir achten, soweit sie die unsere achtet, wohl aber für uns und unsere bergsteigerischen Belange; in diesem Sinne Berg Heil zur Fahrt!"

Bings Position war zu dieser Zeit handlungsleitend in der gesamten Frankfurter Sektion – also: Unabhängig von der jeweiligen politischen Ausrichtung oder Religionszugehörigkeit eines Mitglieds waren alle gemeinschaftlich zum Wohle der Sektion und des Bergsports aktiv.

Zumindest im Jahr 1931 gehörte Walter Bing auch dem "Aufnahme-Ausschuß" der HTV an, die über die Neuaufnahme von Mitgliedern entschied. Diesem achtköpfigen Ausschuss gehörten neben Bing zum Beispiel die Herren Fritz Klüver (damals zugleich Beisitzer im Vorstand der HTV), Heinrich Elsässer (damals Kassen-Wart der HTV), Albert Kopp (damals 1. Vorsitzender der HTV), Karl Reis (damals 1. Touren-Wart der HTV) und ein Fräulein Wolf an.

Ab Dezember 1926 berichtete Walter Bing regelmäßig in dem neu gegründeten Nachrichten-Blatt der Sektion Frankfurt am Main des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins in der Rubrik "Was unsere Vorträge brachten" über Vorträge, die in der Sektion gehalten wurden – zum Beispiel im März 1927 über "Kletterfahrten in den nördlichen Kalkalpen". Darüber hinaus hat er in späteren Jahren wiederholt Bergbücher besprochen, etwa im Juli 1928 das Buch von Oskar Erich Meyer: Tat und Traum, welches damals in dritter Auflage im Bergverlag Rudolf Rother München erschienen war sowie das Buch von Hanns Barth: Gröden und seine Berge. Ein Buch der Erinnerung und Dankbarkeit, aus dem Verlag F. Bruckmann A.-G. München. Seine journalistische Arbeit für den Rundfunk hinterließ vereinzelte Spuren im Nachrichten-Blatt der Sektion Frankfurt am Main. Im Heft Nr. 6 vom Juni 1930 findet sich sein Beitrag mit dem Titel "Vom Bergwandern und Bergsteigen" abgedruckt. Hierzu vermerkte die Schriftleitung: "Unser eifriges, bewährtes Mitglied hat uns diesen Aufsatz, den es kürzlich im Südwestdeutschen Rundfunk den Radiohörern vortrug, zum Abdruck im "Nachrichtenblatt" zur Verfügung gestellt, wofür wir ihm herzlich danken." Leider konnte die dazugehörige Tonaufnahme von uns bisher nicht ermittelt werden.

Walter Bing arbeitete auch im Fest-Ausschuss der Sektion unter Fritz Peters Leitung mit, der insbesondere das jährliche Winterfest im Januar organisierte. Der Vorsitzende der Frankfurter Sektion Matthias Friedwagner schrieb im Nachrichten-Blatt über das Fest im Januar 1927, das unter dem Titel "Ausflug ins Kaunertal" in Räumen des Zoologischen Gartens Frankfurt stattgefunden hatte:

"Redakteur Fritz Peters, der auch dieses Mal wieder die Leitung übernommen hatte, und sein Stab von Mitarbeitern (vor allem Dr. Bing, der "Vater" des Festzuges; Wilhelm Schneider mit Frau, der Schießbudenfachmann; Dr. Büttner, der Leiter der Enzianbude, vorbildlich unterstützt von Frau Dr. Bing; […] haben Anspruch auf den wärmsten Dank, nicht minder Direktor Dr. Priemel, der mehrere Tiere seines Zoo[s] bereitwilligst zur Verfügung gestellt hatte. All die Herren und Damen, denen wir den genußreichen Abend verdanken, hatten auf das eigene Vergnügen verzichtet, um Zeit und Mühewaltung ihren besonderen Aufgaben zu widmen."

Dies ist die einzige uns bekannte Stelle, die momentan belegt, dass sich auch Grete Bing in der Frankfurter Sektion engagiert hat. Im Mitgliederverzeichnis von 1925 ist sie nicht genannt und auch unter den späteren Neueintritten konnten wir sie bisher nicht finden. Allerdings fehlen einzelne Hefte, sodass sie doch Mitglied gewesen sein kann. 1929 fand das Winterfest unter dem Titel "Rund ums Gepatsch" statt. Auch diesmal wurde Walter Bings Tätigkeit im Nachrichten-Blatt hervorgehoben:

"Den üblichen Höhepunkt des Abends bildete der von Dr. Walter Bing mit ebenso viel Liebe wie Arbeit vorbereitete Festzug, eine Filmexpedition ins Gepatsch. Nachdem der elektrische Tespiskarren mit den wirklichen Filmoperateuren auf dem Gepatschplateau eingetroffen war, konnten die vierzehn einzelnen Gruppen des Zuges in Fern-, Nah- und Nächstaufnahmen gekurbelt werden. Wir müssen es uns leider hier versagen, auf die Gruppen näher einzugehen. Die Begeisterung jedoch, mit der alle Bilder aufgenommen wurden, mag den Obleuten und Mitwirkenden der Gruppen zugleich als Ausdruck des Dankes für ihre Arbeit dienen."

Für das folgende Winterfest betätigte sich Walter Bing erneut im Festausschuss. Diesmal half er bei der Organisation eines Trachtenumzugs. So hieß es im November 1929 im Nachrichten-Blatt: "Damen und Herren, die über echte Trachtenkostüme aus Oberösterreich, Steiermark, Kärnten, Tirol, Vorarlberg und Oberbayern verfügen, werden gebeten, ihre Adresse der Geschäftsstelle oder Herrn Dr. Bing (Maingau 75307) mitzuteilen." Das Winterfest im Januar 1930 stand unter dem Motto "Winterfahrt ins Kaunertal!". Der von Walter Bing organisierte Trachtenumzug wurde im Nachrichten-Blatt wie folgt beschrieben:

"Um zehn Uhr abends kam der Festzug in den Saal; Dr. Walter Bing hatte diesmal einen Trachtenzug in Originalkostümen der verschiedenen bayerischen und tiroler Gebirgsgegenden ausgearbeitet. Mit hellem Jubel wurden die einzelnen Gruppen von der dicht gedrängten Zuschauermenge aufgenommen, besonders die an der Spitze marschierende Gruppe Südtirol mit einem leibhaftigen Andreas Hofer (Herrn Grünig), an der Spitze; auch unser Innsbrucker Verbindungsmann, Ingenieur Krzyzanowsky, war in diese Gruppe eingeteilt. Zum Schluß des Umzugs stellten sich die Zugteilnehmer im Halbkreis vor der Bühne auf und brachten der Sektion Frankfurt, die auf der Bühne durch unseren verehrten ersten Vorsitzenden, sowie durch Mitglieder der Hochturistischen Vereinigung und der Jugendgruppe 'in voller Wichs' repräsentiert wurde, ihre Huldigung zu ihrem sechzigsten Bestehen dar."

In den frühen 1930er Jahren hat sich Walter Bing auf den Jahreshauptversammlungen mit verschiedenen Anträgen für die Förderung vor allem junger Bergsteiger*innen eingesetzt, die aufgrund der Weltwirtschaftskrise meist keine ausreichenden Finanzmittel für Fahrten in die Alpen besaßen. Im März 1930 stellte er einen Antrag auf höhere Zuwendungen für "hochturistische Zwecke". Der Vorstand sagte daraufhin zu, dass er fallweise Zuschüsse über die im Haushalt vorgesehene Summe hinaus bewilligen werde. Im Folgejahr forderte Walter Bing "die Bereitstellung eines größeren Betrages zur Unterstützung von ernsten alpinen Unternehmungen durch junge aufstrebende Hochturisten". Dies hatte der Vorstand aber bereits im Voranschlag für das Jahr 1931 berücksichtigt. Entsprechend heißt es im Bericht zur 61. Jahreshauptversammlung im März 1931:

"Die Versammlung bewilligte nach dem Vorschlag des Ausschusses die Bereitstellung von RM 300.- für die Hochturistische Vereinigung zur Bestreitung ihrer Ausgaben für Kletterkurse und als Beihilfe für alpine Übungen nach eigenem Ermessen und unter eigener Verantwortung. RM 700 wurden bewilligt zur Errichtung eines Sondergrundstocks für alpine Unternehmungen. Der Ausschuß wird aus diesem Grundstock auf Antrag jungen bewährten Bergsteigern einzeln oder in Gruppen Geldbeihilfen zur Verfügung stellen für wirklich erstklassige alpine Pläne, für die Durchführung von Erstbesteigungen und für die Beteiligung an außereuropäischen Unternehmungen. Die Entscheidung über die Anträge liegt beim Ausschuß. Was von dem Geld in einem Jahr nicht verbraucht wird, bleibt dem gleichen Zweck erhalten und kann zu einem späteren Zeitpunkt verausgabt werden."

Die zusätzlich von Walter Bing beantragte Verankerung des Vorsitzenden der Hochturistischen Vereinigung als festes Mitglied im Sektionsausschuss wurde hingegen abgelehnt. Ein Antrag Walter Bings auf der Jahreshauptversammlung im März 1932 zielte auf eine größere Einflussnahme "der außerhalb der Leitung stehenden Mitglieder – und besonders der Jüngeren – auf die Gestaltung der Vortragsabende", doch zog er seinen Antrag zurück, nachdem der Ausschuss mitgeteilt hatte, dass dies einer Satzungsänderung bedurfte. Mit diesem Antrag endete die aktive Einflussnahme Walter Bings auf die Ausrichtung der Frankfurter Sektion, weil ihm mit der Übernahme der Leitung durch dezidiert nationalsozialistische Mitglieder im Jahr 1933 diese Möglichkeit genommen wurde. Walter Bing taucht ab dieser Zeit auch nicht mehr als regelmäßiger Mitarbeiter des Nachrichten-Blattes der Sektion Frankfurt am Main auf. Leidglich im Heft Nr. 2 vom Februar 1934 findet sich noch eine mit W.B., also seinem üblichen Kürzel, gezeichnete Besprechung von Vortragsabenden. Dies dürfte vermutlich sein letzter abgedruckter Beitrag gewesen sein.

Allerdings hatte Walter Bing zuvor noch mehrere neue Mitglieder empfohlen: Im Februar 1930 empfahl er zusammen mit dem bedeutenden Bergsteiger Dr. Julius Kugy aus Triest, die Aufnahme von Dottore Andreae de Pollitzer-Pollenghi, ebenfalls aus Triest. Dr. Pollitzer-Pollenghi war Bergsteiger, Fotograf und Topograf, der unter anderem im Kaukasus, auf Island und im Atlasgebirge unterwegs war. Er stammte aus einer bekannten jüdischen Familie Triests. Im Juli 1930 empfahl Bing zusammen mit Fritz Peters die Neuaufnahme von Erich (auch Erik) Graf Wickenburg, Redakteur, und seiner Frau. Graf Wickenburg ist in den Frankfurter Adressbüchern nur für die Jahre 1931 bis 1933 mit der Anschrift Neue Mainzer Str. 39 nachgewiesen. Er stammte aus dem Salzburger Land und war Redakteur bei der Frankfurter Zeitung. Im November 1930 folgte noch zusammen mit Otto Bonwit die Empfehlung zur Neuaufnahme des Studenten Ralf Bernhardt Bonwit. Der aus dem Hannoverschen stammende Kaufmann Otto Bonwit war damals Schulrat des Philantropin, der berühmtesten jüdischen Schule Frankfurts. Er starb im Juli 1933. Sein im Oktober 1910 in Frankfurt geborener Sohn Ralf Bernhard Bonwit überlebte die Verfolgung und starb im März 1988. Im Februar 1931 folgte zusammen mit Fritz Peters die Empfehlung zur Neuaufnahme von Lotti Weihermann, Ärztin in London. Und im Juni 1932 empfahl Walter Bing zusammen mit Arthur Kutz die Aufnahme des praktischen Arztes Dr. Arthur Baer, dessen Sohnes Alfred Baer, damals Schüler, und dessen Ehefrau Franziska Baer.

Aus der Sektion Bayerland wurde Dr. Walter Bing nach über zwanzigjähriger Mitgliedschaft bereits im Mai 1933 ausgeschlossen und sein Widerspruch dagegen abgelehnt. Ob er zeitgleich auch aus der Frankfurter Sektion ausgeschlossen wurde, ist zurzeit unklar. Ein freiwilliger Austritt aus der Sektion Frankfurt am Main ist unwahrscheinlich, weil sich Bing gegen den Rauswurf aus der Sektion Bayerland gewehrt hat. Auf der Jahreshauptversammlung 1935 wurde Walter Bing aber nicht für 25-jährige Mitgliedschaft im Alpenverein ausgezeichnet. Daher muss er vorher ausgeschlossen worden sein.

Verfolgungsschicksal

Dr. Walter Bing wurde am 1. April 1933 von der Frankfurter Gestapo als "Systemgegner" des Nationalsozialismus verhaftet. Dank des Eingreifens des französischen Konsuls, Bing war seit 1920 französischer Staatsbürger, wurde er wieder freigelassen. Er konnte als Jude und Franzose aber nicht mehr für deutsche Zeitungen schreiben, sodass sich sein Einkommen stark reduzierte. Im November 1936 verließ er zusammen mit seiner ersten Ehefrau Frankfurt, da seine Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert wurde. Ein im Juli 1938 beim Deutschen Konsulat erbetenes Kurzzeit-Besuchsvisum zum Besuch seiner ernsthaft erkrankten 75-jährigen Mutter wurde von den deutschen Behörden abschlägig beschieden. Dr. Bing lebte bis September 1939 in Straßburg, nach dem Kriegsausbruch zuerst in Paris und dann in der Auvergne. Ab 1945 wohnte er wieder in Paris. In der französischen Hauptstadt starb seine Ehefrau Grete Bing bereits 1954, er selbst schließlich im Januar 1980.

Quellen und Literatur

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, HHStAW, 518, Nr. 46526

Jahresberichte der Sektion Bayerland

Nachrichten-Blatt der Sektion Frankfurt am Main des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins

Historische Adressbücher der Stadt Frankfurt am Main

Walter Bing: Die fiduziarischen Rechtsgeschäfte im Konkurse des Treuhänders. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Hohen juristischen Fakultät der Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg i. E. Straßburg 1916.

Joachim Schindler: Walter Bing. Bergsteiger und Journalist zwischen den Welten. Chronik und Dokumentation eines außergewöhnlichen Lebens. Dresden 2022.

Joachim Schindler: "Wir waren Brüder im Geiste". Walter Bing, der besondere Freund von Paul Preuss. In: Alpenvereinsjahrbuch BERG 2023, S. 112-117.