Wer wir sind - Spurensuche in der Sektion

Das Projekt

Die Projektgruppe "Spurensuche Nationalsozialismus" der Sektion Frankfurt am Main des DAV hat sich Ende 2019 gefunden. Seitdem recherchieren wir Schicksale früherer Mitglieder, die während der NS-Zeit als Jüdinnen und Juden verfolgt bzw. ermordet wurden. Wir gehen davon aus, dass rund 120 Menschen betroffen gewesen sein könnten. Die Sektion wendet sich erstmals diesem dunkelsten Kapitel ihrer Geschichte zu.

Auslöser für unser Projekt waren das 150-jährige Sektionsjubiläum 2019 und die Vorarbeit von Martin Frey. Frey erforschte anlässlich des Jubiläums die Geschichte der Frankfurter Sektion und steht kurz vor dem Abschluss einer mehrbändigen Sektionschronik. Seine Arbeit ist für uns zum Ausgangspunkt unserer Recherche geworden.

Unser Ziel

Wir wollen mit dieser Website möglichst konkrete Antworten geben: Was wurde aus den Menschen, an deren Ausgrenzung und Verfolgung der DAV in Frankfurt in der NS-Zeit  beteiligt war? Was wurde aus denen, die in den Jahren vor 1933 vielleicht in der Bergsteigergruppe, der Jungmannschaft, der damals neuen Skiabteilung aktiv waren, die mitfeierten beim jährlichen Alpenvereinsfest, einem der Höhepunkte der Frankfurter Festsaison? Wer hat überlebt, wer wurde ermordet? Gibt es noch lebende Nachfahren? Und wer hat, als Sektionsfunktionär in verantwortlicher Position, beigetragen zur Ausgrenzung?

Wir wollen den Verfolgten und lange Vergessenen so wieder ein Gesicht geben. Wir holen sie zurück in das Gedächtnis der Sektion und der Öffentlichkeit. Und wir wollen mehr herausfinden darüber, wie das Unrecht möglich werden konnte – durch welche Menschen und welche Strukturen.

Die Hindernisse

Unsere Sucharbeit ist nicht immer einfach: Vor allem fehlen Akten und es gibt nach der langen Zeit kaum noch  Zeitzeug*innen. Viele Mitgliederverzeichnisse und fast alle anderen Dokumente der Sektion wurden bei Fliegerangriffen in der letzten Kriegsphase zerstört; der damalige Sektionsführer Rudolf Seng beschrieb 1944 in einem Brief an die Vereinsführung das Ausmaß der Zerstörung Frankfurts.

Wir vermuten außerdem, dass gegen und nach Kriegsende Unterlagen vernichtet wurden, um Spuren der Mittäterschaft zu verwischen. Von vielen früheren Mitgliedern, die später zur Emigration gezwungen oder in Konzentrationslagern ermordet wurden, wissen wir deshalb nur sehr wenig über ihre Aktivitäten im Frankfurter Alpenverein.

Auf der anderen Seite machen wir jede Menge ermutigende Erfahrungen: Wir finden Nachfahr*innen damals Verfolgter, bekommen nach Veröffentlichungen über unsere Arbeit Hinweise von Leserinnen und Lesern, stoßen bei Anfragen an Verbände und Archive immer wieder auf großes Interesse und Hilfsbereitschaft.

Das Team

Armin ist nicht nur seit Jahren in den Bergen unterwegs, sondern hat sich, wie er sagt, "auch früher schon stark für die teilweise unrühmliche Geschichte des Alpenvereins interessiert". Deshalb ist er jetzt mit dabei, diesen bislang unbearbeiteten Teil der Sektionsgeschichte zu erforschen und zu dokumentieren.

Jens arbeitet als Zeithistoriker mit Forschungsschwerpunkt Judenverfolgung durch den Nationalsozialismus in einer jüdischen Organisation in Frankfurt am Main. Ihm geht es darum, mit der "Spurensuche" auch "die Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Sektionsmitglieder, die Opfer von Intoleranz, Rassenwahn und Verfolgung wurden, wachzuhalten".

Monique, die gern klettert, hat Politologie und Geschichte studiert und findet das Projekt sehr wichtig, auch weil es konkret ins Bewusstsein rufen kann, welche schlimmen Folgen Ausgrenzung und offener Antisemitismus haben können. Monique lebt gerade mit ihrer Familie in Innsbruck und ist für uns der direkte Draht zum Historischen Archiv des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV).

Saskia arbeitet als Althistorikerin an der Universität. Sie ist nicht nur berufsbedingt der Überzeugung, dass wir uns mit der Vergangenheit auseinandersetzen müssen, um für die Gegenwart und Zukunft zu lernen. Mit diesem Projekt hofft sie, einen Teil der Sektionsgeschichte aufzuarbeiten, der sonst vielleicht in Vergessenheit geraten wäre.

Ursula ist von Beruf Journalistin und betreut ehrenamtlich auch die Öffentlichkeitsarbeit der Sektion. Das jahrzehntelange Schweigen über die Verfolgung jüdischer Mitglieder, denkt sie, war wie ein zweiter Verrat an ihnen - nach der Anpassung an den NS-Ausgrenzungskurs. Sie freut sich, dass die Sektion mehr als 70 Jahre später nun ihre Erinnerungslücken schließt.

Wolfgang engagiert sich seit vielen Jahren mit Begeisterung in der Sektion und hatte viele Positionen inne, so auch das Amt des 2. Vorsitzenden. Heute betreut er unter anderem das Archiv der Sektion, unterstützt den Sektionschronisten Martin Frey bei seinen Recherchen und bringt uns immer wieder voran mit Fundstücken aus alten Ordnern und Fotosammlungen.

Ausblick

Unsere Spurensuche ist nicht abgeschlossen. Diese Website ist ein lebendiges Erinnerungsprojekt und wird weiter wachsen. Schaut immer wieder vorbei und entdeckt, was wir Neues gefunden haben. Und schreibt uns euer Feedback, eure Fragen, Hinweise und Anregungen.