Familie

Siegmund Kaiser wurde im Juli 1882 als Sohn des Eschweger Tuchfabrikanten Moritz Kaiser (1835-1908) und seiner Ehefrau Henriette Kaiser, geb. Heilbrunn (1848-1891), geboren. Nach dem Besuch des Progymnasiums in Eschwege wechselte er an das Gymnasium in Weilburg/Lahn und legte dort Ostern 1900 das Abitur ab.

Im Juni 1923 heiratete Siegmund Kaiser die Christin Dora Martha Kühn. Sie wurde im April 1896 in Hartmannsdorf (bei Chemnitz, Sachsen) geboren. Beide hatten drei Kinder: Der Sohn Ulrich wurde im Juli 1924, die Tochter Ursula Dorothea im Juli 1925 und die jüngste Tochter Gisela im Oktober 1927 in Frankfurt am Main geboren. Die Kinder waren evangelisch. Damals lebte die Familie Kaiser in der Eichendorffstraße 31 (im Frankfurter Dichterviertel). Ab März 1940 musste die Familie zwangsweise in einem sogenannten "Judenhaus" in der Rankestraße 9 wohnen.

Die Familie Kaiser ist nach der Ausbombung in Frankfurt im Jahr 1943 nach Augsburg gezogen. Der Sohn Ulrich Kaiser hat dann auf dem Fuggerschen Gut Wellenburg als landwirtschaftlicher Arbeiter die Familie ernährt.

Beruflicher Werdegang
Amtliches Frankfurter Adressbuch 1932, S. 334: Eintrag zu Rechtsanwalt und Notar Siegmund Kaiser.

Nach dem Abitur am Gymnasium in Weilburg/Lahn im Jahr 1900 studierte Siegmund Kaiser Jura an den Universitäten München, Berlin, Freiburg und Göttingen. Im Juli 1903 legte er das erste juristische Staatsexamen ab und war danach als Referendar in Steinbach, Wiesbaden und Hanau tätig. 1909 legte er in Berlin das zweite juristische Staatsexamen ab. Ab August 1909 war Siegmund Kaiser am Landgericht Frankfurt am Main als Rechtsanwalt eingetragen. Laut Frankfurter Adressbuch des Jahres 1910 hatte er seine Kanzlei in der Kaiserstraße 3, während er in der Blumenstraße 9 wohnte.

Von 1914 bis 1918 leistete Siegmund Kaiser Kriegsdienst als Frontkämpfer und erhielt 1917 das Eiserne Kreuz 2. Klasse. Nach dem Ersten Weltkrieg eröffnete er erneut eine Kanzlei in der Kaiserstraße 6, wohnte nun aber in der Hochstraße 12. Im Juni 1923 wurde Siegmund Kaiser zum Notar ernannt. Allerdings entzogen ihm die Nationalsozialisten bereits im Juni 1933 das Notariat wieder, während er als früherer Frontkämpfer weiterhin als Rechtsanwalt tätig bleiben durfte. 1932 (und bis 1938) befand sich die Kanzlei von Siegmund Kaiser in der Taunusstraße 52-60. Er wohnte in diesem Zeitraum in der Eichendorffstraße 37. Erstmals 1939 findet sich im Frankfurter Adressbuch kein Eintrag mehr für Siegmund Kaiser. Er arbeitete nach Entzug der Rechtsanwaltszulassung bis zu seiner Verhaftung im Juli 1942 als Konsulent und durfte daher nur noch Juden juristisch betreuen.

Rolle in der Sektion

Siegmund Kaiser ist der Sektion Frankfurt am Main des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins im Jahr 1920 beigetreten. Bisher wissen wir noch nicht, in welcher Weise er am Leben der Sektion teilgenommen hat. Als sogenannter "Frontkämpfer" hätte er nach der Einführung des sogenannten "Arierparagrafen" Mitglied der Sektion bleiben können. Ob er dennoch 1933 aus der Sektion ausgetreten ist oder ausgeschlossen wurde, entzieht sich vorerst unserer Kenntnis.

Verfolgungsschicksal
Bescheid über die Entschädigung für die Ermordung von Siegmund Kaiser in Auschwitz vom 30. Juni 1953. In: Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, HHStW Bestand 518, Nr. 18784 Bd. 2, fol. 1 (Ausschnitt).

Siegmund Kaiser konnte als sogenannter "Frontkämpfer" auch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten noch als Rechtsanwalt tätig sein. Ihm wurde allerdings bereits im Juni 1933 das Notariat entzogen. Im Zuge der Novemberpogrome 1938 ist Siegmund Kaiser verhaftet und in das KZ Dachau verschleppt worden, aus dem er am 29. Dezember 1938 entlassen wurde. Zum 1. Dezember 1938 wurde ihm die Zulassung als Rechtsanwalt entzogen. Nach dieser Zeit konnte Siegmund Kaiser nur noch als sogenannter "Rechtskonsulent" für jüdische Mandanten aktiv werden. Seine Auswanderungsbemühungen nach Bolivien scheiterten.

Im Juli 1942 verhaftete ihn die Frankfurter Gestapo und überstellte ihn im Oktober in das KZ Buchenwald. Von dort aus ist er im November 1942 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort Ende Dezember 1942 ermordet worden. Der Sohn Ulrich wurde im August 1942 als sogenannter "Mischling 1. Grades" zwangsweise vom Goethe-Gymnasium in Frankfurt entfernt und konnte daher kein Abitur machen.

Siegmund Kaisers nichtjüdische Ehefrau Dora Kaiser und die drei Kinder überlebten die Verfolgung. Ulrich Kaiser hat nach dem Zweiten Weltkrieg zeitweilig als Dolmetscher für den französischen Bahnhofskommandanten in Bregenz (Vorarlberg, Österreich) gearbeitet. Die Kaisers wanderten über die Schweiz nach Argentinien aus und lebten seit Juli 1947 in Buenos Aires. Dora Kaiser erhielt rückwirkend zum 1. November 1953 eine Witwenrente von Westdeutschland wegen der Ermordung ihres Ehemannes Siegmund Kaiser. Sie starb in Buenos Aires im Dezember 1983. Die Tochter Gisela Kaiser heiratete Peter S. Wood und lebte später mit ihren zwei Kindern in Milwaukee am Michigansee (Wisconsin, USA).

Quellen und Literatur

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, HHStW Bestand 518, Nr. 18784 Bd. 1 bis 3 sowie Bestand 519/3, Nr. 30315

Frankfurter Adressbücher, online abrufbar

Stolperstein für Siegmund Kaiser

125 Jahre: Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Rechtspflege. Ausstellung: Anwalt ohne Recht. Frankfurt am Main 2004.