Richard Joseph Merzbach wurde am 26. Oktober 1873 in Frankfurt am Main geboren. Er war der Sohn von Emanuel Merzbach (1837-1895) und Marie Heim (1844-1927). Sein Vater stammte aus einer der wichtigsten jüdischen Bankiersfamilien Offenbachs: Richards Großvater Selig Siegmund Merzbach hat das Bankhaus "S. Merzbach" gegründet. Die Familie führte diese erfolgreiche Bank bis in die 1930er Jahre. Felix Heim, der Vater von Marie, war ebenfalls Bankier.
Richard Merzbach hatte vier Geschwister: Therese Schreiber (Frankfurt 1867-1948 Seattle), Sigismund Merzbach (1869-?), Felix Merzbach (Frankfurt 1872-1932 Karlsruhe) und Ernst Merzbach (1878-1932).
Sein Vater Emanuel Merzbach betrieb zusammen mit seinen Brüdern Arnold und Salomon Merzbach in Frankfurt in der Zeil 37 die Firma A. Merzbach, Bank- und Wechselgeschäft, die später in die A. Merzbach, Bankgeschäft GmbH umgewandelt wurde. Bei der Geburt von Richard lebte die Familie Merzbach in der Uhlandstraße 11, 1878 in der Uhlandstraße 39 und um 1890 in der Rückertstraße 5. Mehr als zwei Drittel der Wohnungen in der Uhlandstraße, im Frankfurter Ostend gelegen, waren um diese Zeit von jüdischen Familien gemietet, sodass Richard Merzbach in einem sehr stark jüdisch geprägten Umfeld aufwuchs. Nach dem Tod des Vaters wurde Marie Merzbach, die Mutter Richards, Miteigentümerin der Firma, genauso wie ein Jahr darauf Mina (auch Minna) Merzbach, geb. Schwarzschild, die Witwe des 1896 verstorbenen Onkels Arnold Merzbach.
Laut Mahlaus Frankfurter Adressbuch des Jahres 1900 wohnte Dr. jur. Richard Merzbach als Referendar in der Gutleutstraße 95, genauso wie sein Bruder Felix. Ab 1901 lebten die beiden zusammen mit der Mutter in der Westendstraße 5. Richard Merzbach heiratete 1908 Gertrud Alexander (1886-1945), Tochter von Siegfried Alexander und Hulda Holz, beide stammten aus Königsberg in Preußen und waren ebenfalls jüdisch. Das Paar bekam vor dem Ersten Weltkrieg zwei Töchter: Hilde Birnbaum (1909-2003) und Edith Alice Lobe (1914-1993).
Nach der Heirat zog die Familie Richard Merzbachs um und wohnte fortan in der Niedenau 51, während er seine Rechtsanwaltskanzlei in der Straße Am Salzhaus 1 hatte. Schon damals ist Richard Merzbach für die Israelitische Gemeinde Frankfurts sehr aktiv gewesen: Er saß 1909 im Gemeindeausschuss, war zweiter Kassierer des 1905 gegründeten Vereins "Jüdische Bibliothek und Lesehalle" sowie Schriftführer des "Vereins zur Verteilung von Heizmaterialien an hiesige israelitische Arme". Sein Bruder Felix war zu dieser Zeit als Kaufmann Mitinhaber der nunmehr in der Schillerstraße 16 sitzenden Firma A. Merzbach und wohnte in Im Trutz Frankfurt 35, die Mutter in der Westendstraße 5.
Bis 1936 wohnte Richard Merzbach mit seiner Frau in der Niedenau 51, danach bis zur Auswanderung in die USA in der Westendstraße 21. Im Jahr 1936 heiratete seine Tochter Edith Alice den 1909 in Warburg geborenen Ludwig Loeb, der 1933 in Düsseldorf als Referendar tätig gewesen war. Sie änderten nach der anschließenden Auswanderung in die USA den Familiennamen in Lobe. Beide bekamen zwei Söhne und lebten in Seattle.
Im April 1900 ist Dr. Richard Merzbach als Rechtsanwalt am Landgericht Frankfurt zugelassen worden. Sein "Bureau" hatte er damals in Am Salzhaus 1. Doch nach dem Ersten Weltkrieg befand sich Richard Merzbachs Kanzlei gemäß der Frankfurter Adressbücher in der Kaiserstraße 11 bzw. vom Jahr 1927 bis zur Auswanderung 1938 in der Kaiserstraße 58. Im August 1920 wurde er zum Notar ernannt. Als vor 1914 zugelassener Rechtsanwalt durfte er auch nach Beginn der nationalsozialistischen Diktatur im Januar 1933 rechtsanwaltlich tätig sein. Allerdings wurde ihm im November 1935 das Notariat entzogen.
Richard Merzbach war nach dem Ersten Weltkrieg in der Israelitischen Gemeinde Frankfurt sehr aktiv: So saß er zum Beispiel im Jahr 1919 im Gemeindeausschuss, war Mitglied des Schulausschusses des Philanthropin, der bedeutendsten jüdischen Schule Frankfurts, Schriftführer des Gumpertzschen Siechenhauses und der Minka von Goldschmidt-Rothschild-Stiftung sowie Beisitzer im Vorstand des Vereins "Jüdische Bibliothek und Lesehalle".
Richard Merzbach ist langjähriger Vorsitzender der 32-köpfigen Gemeindevertretung der Israelitischen Gemeinde Frankfurt gewesen. Zugleich war er viele Jahre Vorsitzender des Büros der Israelitischen Gemeinde. Hier arbeitete Dr. Siegfried Katzenstein zeitweilig als einer ihrer drei Schriftführer. Richard Merzbach hatte beispielweise im Jahr 1927 außerdem den Vorsitz im Schulrat des Philanthropin inne, war weiterhin Schriftführer des Gumpertzschen Siechenhauses und der Minka von Goldschmidt-Rothschild-Stiftung sowie Vorsitzender des "Freisinnigen Vereins für Jüdisches Gemeindeleben". Bis 1930 saß er zudem als Delegierter der Gemeindevertretung im Vorstand der Hauptsynagoge. Aber auch sein Bruder Felix Merzbach setzte sich für jüdische Belange ein: Zum Beispiel ist er im Jahr 1927 Revisor der bereits 1738 gegründeten Israelitischen Männer-Krankenkasse gewesen.
Neben seiner Tätigkeit für das Philanthropin hat sich Richard Merzbach auch für eine weitere berühmte jüdische Bildungsanstalt eingesetzt: Er schenkte dem Museum jüdischer Altertümer in der Frankfurter Fahrgasse zusammen mit seinen Geschwistern 1931 das Manuskript eines jüdisch-deutschen Kochbuchs aus Familienbesitz.
Richard Merzbach setzte sich weit über Frankfurt hinaus aktiv für jüdische Belange ein. 1925 wurde er zum Abgeordneten des Preußischen Landesverbandes Jüdischer Gemeinden gewählt. Während der Frankfurter Rechtsanwalt Dr. Eduard Baerwald Mitglied des 15-köpfigen "Ständigen Ausschuss" des Preußischen Landesverbandes war, ist Merzbach einer der Stellvertreter dieses Ausschusses gewesen. Im Preußischen Landesverband ist er 1926 zudem Mitglied des "liberalen Unterrichtsausschusses" geworden, der sich etwa mit Fragen des jüdischen Schulunterrichts beschäftigte. 1931 wurde Richard Merzbach als Abgeordneter der liberalen Partei aus dem Wahlkreis Frankfurt am Main in den Verbandstag des Preußischen Landesverbandes Jüdischer Gemeinden gewählt.
Bis zu seiner Auswanderung im Oktober 1938 hat Richard Merzbach als Rechtsanwalt gearbeitet und sich zugleich intensiv für die jüdischen Belange in Frankfurt und ganz Preußen eingesetzt.
Der Rechtsanwalt Dr. jur. Richard Merzbach ist im Jahr 1910 der Sektion Frankfurt erstmals beigetreten (Bericht der Sektion 1911, S. 28). Im Jahresbericht der Sektion Frankfurt des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins für das Jahr 1918 heißt es auf Seite 8, dass der Rechtsanwalt Dr. Richard Merzbach, Leutnant der Reserve, gefallen bzw. im Lazarett verstorben sei. Da es in Frankfurt in den Jahren vor und während des Ersten Weltkriegs nur einen Rechtsanwalt mit dem Namen Richard Merzbach gegeben hat, scheint es sich hierbei um eine Falschmeldung zu handeln.
Allerdings muss Richard Merzbach aus dem Alpenverein ausgetreten sein, denn später wird er mit dem Eintrittsdatum 1923 geführt (so auf Seite 57 des Berichts der Sektion Frankfurt für die Jahre 1919-1924). Warum Richard Merzbach aus- und wieder eingetreten ist, entzieht sich gegenwärtig unserer Kenntnis. Auch wissen wir nicht, ob er im Jahr 1933 erneut aus der Sektion ausgetreten ist oder von der Sektionsleitung nach Einführung des sogenannten "Arierparagrafen" ausgeschlossen wurde. Als ehemaliger "Frontkämpfer" hätte er im Verein bleiben können.
Bisher wissen wir nicht, ob und wie Richard Merzbach am Vereinsleben der Frankfurter Sektion teilgenommen hat, weil die von uns bis dato eingesehenen Quellen hierzu keine Informationen enthalten.
Dr. Richard Merzbach konnte als "Altanwalt" in den ersten Jahren der NS-Diktatur weiter arbeiten. Die Töchter Edith Alice, verheiratete Lobe, und Hilde, verheiratete Birnbaum, sind 1933 in die USA ausgewandert. Ihm wurde im November 1935 das Notariat entzogen. Schließlich emigrierte er zusammen mit seiner Frau Trude (Gertrude) im Oktober 1938 in die USA, sodass ihn das einen Monat später ausgesprochene Berufsverbot nicht mehr traf. Merzbach lebte mit seiner Familie in Seattle. Im August 1945 starb Richard Merzbach laut Aufbau vom 7. September 1945 an den Folgen einer Operation. Seine Frau Trude Merzbach verstarb wenige Tage später in Seattle an einer Überdosis Morphium, wie Zygmunt William Birnbaum berichtet.
Zygmunt William Birnbaum, Hildes 1940 angetrauter Ehemann, schrieb in einem Brief im Dezember 1940 über die Familie Merzbach:
"The essential facts are: her name is Hilde Merzbach. I met her a few months ago in her father"s home here. Her father, Dr. R. Merzbach, was an outstanding lawyer in Frankfurt a.M., got out on time, and settled with his family in Seattle. She worked for the last year in San Francisco, and was here for a visit. Her background: completed law studies with the German "Referendar," then in an executive position with the "Etam" Corporation in London. An attractive, clever, brave girl, a good sport and good companion. The family is excellent, the girl is a splendid human being – by all one can judge – we like each other very well. I don"t think there is anything more one could ask for."
Hilde Birnbaum erhielt die US-amerikanische Staatsbürgerschaft im Februar 1944. Zum Zeitpunkt des Todes ihrer Eltern im August 1945 hatten sie und ihr Mann zwei Kinder. Über Hildes Mutter Gertrude Merzbach schrieb Zygmunt William Birnbaum:
"She was lively, easy to talk with, and a good listener. Only one quality was somewhat difficult to take: she lived with a number of constraints, a set of principles, a code of inflexible rules that said what was right and was wrong. It seemed to me that she had a kind of 'categorical imperative' that gave her character both its strength and its weakness."
Auch Richards Schwester Therese und ihr Ehemann, der aus Schrimm/Provinz Posen stammende jüdische Rechtsanwalt und Notar Norbert Schreiber, konnten aus Höchst am Main in die USA auswandern und lebten in Seattle/Washington, wo Therese 1948 bzw. Norbert 1950 verstarben. Norbert Schreiber war mit dem ebenfalls aus der Provinz Posen stammenden langjährigen Vorsitzenden der Israelitischen Gemeinde Frankfurt, Dr. Julius Blau, befreundet, hatte für die Farbwerke Höchst und zuletzt in der Kanzlei seines Schwagers Richard Merzbach gearbeitet.
Quellen und Literatur
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, HHStAW Abt. 519/3, Nr. 11.301
Ann Birnbaum's notes on the Zygmunt William Birnbaum Papers, Special Collections, University of Washington Library
Bericht der Sektion Frankfurt a. M. des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins e. V. 1911. Frankfurt 1912.
Bericht der Sektion Frankfurt a. M. des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins e. V. 1919-1924. Frankfurt 1925.
Jüdische Pflegegeschichte, Gumpertz'sches Siechenhaus
Frankfurter Adressbücher, auch online einsehbar