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Wir sind dabei, Dr. Paul Spiros Schicksal zu dokumentieren.
Dr. med. Paul Spiro wurde im Oktober 1931 Mitglied der Sektion Frankfurt am Main des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins. Er war von drei Personen empfohlen worden, und zwar von Wilhelm Schloßmacher, der bereits seit 1911 Mitglied der Sektion gewesen ist und damals als Geschäftsführer der Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie tätig war, von Syndikus Heinrich Josef Schloßmacher, bei dem nicht ermittelt werden konnte, wann er in die Frankfurter Sektion eingetreten ist, und von Dr. med. Heinrich Lampert, Privatdozent an der Universität Frankfurt für Innere Medizin, also einem Fachkollegen, der 1923 in die Frankfurter Sektion eingetreten war.
Ob und wie Paul Spiro am Frankfurter Sektionsleben teilgenommen hat, entzieht sich bisher mangels aussagekräftiger Quellen unserer Kenntnis. Ebenso bleibt unklar, ob er vor seiner Emigration in die Schweiz im August 1933 aus der Sektion ausgetreten ist oder als Jude von der Leitung der Sektion ausgeschlossen wurde. Als "Frontkämpfer" des Ersten Weltkriegs hätte er trotz Einführung des sogenannten "Arierparagraphen" in der Sektion verbleiben können.
Dr. Paul Spiro war seit 1931 Chefarzt und Leiter der Tuberkuloseberatungsstelle Frankfurt, zugleich Privatdozent an der Universität Frankfurt für Innere Medizin und Geschäftsführer der Akademischen Krankenkasse der Universität Frankfurt. Als Jude durfte er diese Funktionen nicht weiter ausüben. Beispielsweise kündete die Landesversicherungsanstalt Hessen-Nassau (LVA) das Angestelltenverhältnis mit ihm als Leiter der Tuberkuloseberatungsstelle zum 1. August 1933, da er trotz seines Status als sogenannter "Frontkämpfer" im Ersten Weltkrieg nicht mehr weiterbeschäftigt werden durfte. Laut eines Vermerks in einer Akte im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden heißt es hierzu:
"In der Person des Dr. Paul Spiro hat kein Grund zur Kündigung gelegen. Der Vorstand der L.V.A. hat ihm im Gegenteil ehrende Zeugnisse ausgestellt, die vertragsmäßige Pension bewilligt und sie auch, nachdem Spiro mit behördlicher Genehmigung Aufenthalt in der Schweiz genommen hatte, bis zum 1. Aug. [19]37 ausbezahlt. [...] Am 5. April 1938 teilte die L.V.A. Herrn Spiro mit, daß der Reichs- und preußische Arbeitsminister die Zustimmung zum Aufenthalt in der Schweiz über den 1. Aug. 37 hinaus abgelehnt habe und die Pensionsbezüge von da an ruhten. [...] Es besteht kein Zweifel, daß Dr. Paul Spiro nur aus Gründen der Rasse Stellung, Gehalt und Pension verloren hat."
Tatsächlich konnte Paul Spiro in der Schweiz in der bereits 1922 gegründeten "Alpinen Kinderklinik" in Davos nur als "Volontär" arbeiten, weil er das schweizerische Ärztediplom nicht besaß und daher nicht als Arzt arbeiten durfte.
Paul Spiros 1894 geborener Bruder Peter Spiro wurde im Mai 1944 bei Cranves-Sales (Savoyen), in der Nähe der französisch-schweizerischen Grenze, vermutlich von Deutschen ermordet. Ihre im Jahr 1862 geborene Mutter Rosalie Spiro, geb. Barschall, konnte in die Schweiz auswandern und ist dort 1936 im Alter von 74 Jahren verstorben. Sein Onkel Friedrich Spiro konnte noch 1939 zusammen mit seiner Ehefrau Assia Spiro-Rombro ebenfalls in die Schweiz auswandern. Allerdings ist der Onkel bereits im folgenden Jahr verstorben.
Quellen und Literatur
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, HHStAW Abt. 518, Nr. 65457
Therapie der Tuberkulose. Hrsg. von Prof. Dr. Joseph Berberich und Dozent Dr. Paul Spiro. A. W. Sijthoff"s Uitgeversmaatschappij N.V. Leiden 1937.
Udo Benzenhöfer: Die Frankfurter Universitätsmedizin zwischen 1933 und 1945. Münster/Ulm 2012, online abrufbar.
Aldo Corcella: Grecità e musica. Friedrich Spiro (1873-1940) e Assia Rombro (1873-1956). Potenza 2021, online abrufbar.