Familie und Beruf

Nora Rothschild wurde am 19. Dezember 1906 in Frankfurt am Main geboren. Ihre Eltern waren der Jurist Dr. Felix Rothschild (1868-1962) und Lily Rothschild, geborene Rice (1883-1962), eine Tochter des Juweliers und Musikers Nathan Henry Rice. Noras ältere Schwester Lotte wurde im Jahre 1904 geboren. Die Familie hatte ihren Wohnsitz in der Klettenbergstr. 26 im Frankfurter Nordend. Nora Rotschild war katholisch, während ihr jüdischer Vater die Taufe für sich ablehnte. Wegen ihrer jüdischen Abstammung wurde sie während der nationalsozialistischen Diktatur verfolgt.

Von 1913 bis 1918 besuchte Nora Rothschild das Lyzeum Schmidt (heute: Anna-Schmidt-Schule). Im Jahre 1926 legte sie an der Schillerschule ihr Abitur ab. Sie studierte anschließend Jura in Freiburg, Berlin, Heidelberg und Frankfurt am Main. Dort legte sie Ende des Jahres 1930 auch die erste juristische Staatsprüfung (Referendarexamen) ab, an die sich von 1931 bis 1933 ihr Vorbereitungsdienst als Gerichtsreferendarin am Frankfurter Oberlandesgericht anschloss. Sie war zuletzt in der Anwaltsstation, nachdem sie vorher die Ausbildung beim Amtsgericht, beim Landgericht und der Staatsanwaltschaft durchlief. Tatsächlich arbeitete sie in der Kanzlei "Benkard, Spier, Maier", in der die  Frankfurter Sektionsmitglieder Max Hermann Maier und Gustav Spier als Rechtsanwälte tätig waren. Laut ihrer eigenen Beschreibung hat Max Hermann Maier sie nach dem Machtantritt Adolf Hitlers nicht mehr ans Gericht gehen lassen, um sie vor Übergriffen zu schützen. Sie durfte nur noch Bürotätigkeiten in der Kanzlei übernehmen.

Alpenverein

Nora Rothschild trat 1932 in die Sektion Frankfurt am Main des Deutschen Alpenvereins ein. Ihr Vater gehörte der Frankfurter Sektion bereits seit 1893 an. Über Aktivitäten von Nora Rothschild im Alpenverein ist uns bisher nichts bekannt. Ob sie aus dem Alpenverein austrat oder ausgeschlossen wurde, ist zurzeit nicht ermittelbar. Mit der 1934 beschlossenen Satzungsänderung (siehe: "Arierparagraph") durfte sie als sogenannte "Nichtarierin" nicht mehr im Verein verbleiben, weil sie nicht vor 1914 Sektionsmitglied geworden war - anders als ihr Vater. Falls Nora Rothschild nicht 1933 ausgetreten ist, dürfte sie daher spätestens im Jahr 1934 ausgeschlossen worden sein.

Verfolgungsschicksal

Ihre juristische Ausbildung konnte Nora Rothschild nicht mehr beenden. Als "Volljüdin" im Sinne der nationalsozialistischen Rassegesetze wurde sie durch Verfügung des preußischen Justizministers am 19. August 1933 aufgrund des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" aus dem Justizdienst entlassen. Da sie nun keine Möglichkeit mehr hatte, ihre Ausbildung fortzuführen und auch keine Aussicht auf eine andere Berufsausbildung bestand, emigrierte sie im August 1934 in die USA. Nach ihrer Ankunft lebte sie dort bis Ende Oktober 1934 bei einer befreundeten Familie in Wakefield (Massachusetts). In einem kurzen Lebenslauf schrieb sie, dass sie durch "gelegentliche kleine Beschäftigungen etwas Taschengeld" verdienen konnte.

Die folgenden Jahre in den USA gestalteten sich für Nora Rothschild sehr wechselvoll. Sie lebte für kurze Zeit in Boston und siedelte im April 1935 nach New York über, wo sie als nicht ausgebildete Sozialarbeiterin ("untrained social worker") eine Anstellung fand. Von September 1935 bis Juni 1936 besuchte sie die "National Catholic School of Social Service" in Washington, D.C., um dort eine Ausbildung zur Sozialarbeiterin zu absolvieren, die sie erfolgreich abschloss. Anschließend war sie bis September 1940 als Sozialarbeiterin bei katholischen Einrichtungen in Pittsburgh (Pennsylvania), New Haven (Connecticut) und Buffalo (New York) tätig.

Neben ihrer Tätigkeit als Sozialarbeiterin bei "Catholic Charities" in Buffalo begann sie im September 1940 an der dortigen Universität ein Jurastudium. Vom Herbst 1942 an war sie bei einem Rechtsanwalt als "Law Clerc" tätig, was als weitere Ausbildung galt. Ein halbes Jahr später wurde sie von der "Legal Aid Society" in Rochester (New York) als Rechtsanwältin angestellt. Dort blieb sie bis Oktober 1945.

Nachkriegsleben

Nachdem Nora Rothschild ihre Anwaltstätigkeit bei der "Legal Aid Society" im Oktober 1945 aufgab, arbeitete sie ab diesem Zeitpunkt beim "Catholic Home Bureau" in New York zunächst wieder ausschließlich als Sozialarbeiterin. In der Folge wurden ihr dort nach und nach juristische Arbeiten zugewiesen, bis ihre Tätigkeit im wesentlichen die einer juristischen Beraterin entsprach. Nachdem sie am 15. September 1948 das "Catholic Home Bureau" wieder verließ, widmete sie sich der Sozialarbeit bei dem christlichen Orden "Sisters of the Divine Spirit" in Erie (Pennsylvania). Ab diesem Zeitpunkt ist der weitere Lebensweg Nora Rothschilds nur noch sehr lückenhaft nachzuvollziehen.

Gesichert ist, dass sie am 31. August 1965 nach Deutschland zurückkehrte. Sie lebte bis zum 28. April 1966 in Freiburg im Breisgau, einem ihrer Studienorte. Ab dem 30. April 1966 war sie in Gießen gemeldet. Hier nahm sie eine Halbtagsstelle beim dortigen Caritasverband an. Laut ihrer eigenen Aussage blieb sie bis 1979 in Deutschland. Sie ging dann zurück in die USA und lebte zuletzt im St. Mary's Home in Erie. Dieses Haus wurde von der römisch-katholischen Kongregation der Sisters of St. Joseph gegründet und betrieben. Nora Rothschild starb am 7. Oktober 2000 und wurde auf dem Friedhof in Erie (Pennsylvania) beerdigt.