Ludwig Reinheimer kam am 26. April 1894 in Landstuhl (Pfalz) als Sohn des Kaufmanns Lazarus Reinheimer und von Karoline Reinheimer, geb. Klein, zur Welt.
Der Vater war Besitzer des 1882 gegründeten „Confectionshauses A. Reinheimer Söhne“ in Landstuhl. Er starb am 10. Mai 1922. Ludwig Reinheimer besuchte von 1900 bis 1904 die Grundschule und anschließend bis 1909 die Lateinschule in Landstuhl, von 1909 bis 1913 das humanistische Gymnasium in Kaiserslautern. 1913 nahm er das Medizinstudium in Heidelberg auf. Ab 1914 diente er als Sanitätsunteroffizier der „1. Batterie Flugabwehrkanonen-Ersatzabteilung“ im Ersten Weltkrieg. 1917 erlitt er eine schwere Beinverwundung durch Granatsplitter an der Somme, woraufhin er mit dem Verwundetenabzeichen in schwarz ausgezeichnet wurde. Ludwig Reinheimer konnte sein Studium zunächst in Heidelberg fortsetzen, noch 1917 wechselte er nach Frankfurt am Main. Während seines Studiums lebte er in der Oskar-Sommer-Straße 10. In Frankfurt legte er auch am 28. März 1920 das Staatsexamen mit der Note „sehr gut“ ab. 1921 erfolgte die Promotion mit einer Dissertation über angeborene Hüftluxation.
Von April 1920 bis März 1921 war Ludwig Reinheimer Volontär beziehungsweise Assistenzarzt bei Prof. Dr. Karl Rudolf Ludloff an der Orthopädischen Klinik Friedrichsheim. Ab 15. März 1921 war er Assistent im Gesundheitsamt und seit 1923 Stadtarzt, ab 1. April 1928 Beamter. Von September 1923 bis Januar 1924 war Dr. Reinheimer als Volontärarzt in der Städtischen Jugendsichtungsstelle eingesetzt, später bestand sein Tätigkeitsfeld vor allem in der Behandlung Tuberkulose- und Alkoholkranker, zudem Personaluntersuchungen der städtischen Angestellten. Dr. Ludwig Reinheimer unterrichtete außerdem angehende Turn- und Gymnastiklehrerinnen. Er veröffentlichte einige Artikel zum Thema Medizin und Turnen. 1926 absolvierte er die Prüfung als Kreisarzt und 1928 eine Fortbildung zum Impfarzt.
Seine aus Hamburg stammende Ehefrau Helene Reinheimer, geb. Lange, arbeitete als Operations-Schwester in der chirurgischen Abteilung der Universitätsklinik. Erst nach dem Tode seines Vaters konnte sie Dr. Ludwig Reinheimer heiraten, da sein Vater Einwände gegen die Verbindung mit einer Christin gehabt hatte. Die Heirat fand am 29. Dezember 1924 in Hamburg statt. 1932 und 1934 wurden die Töchter des Ehepaares in Frankfurt geboren. Beide Töchter gehörten zu Lebzeiten Ludwig Reinheimers und seiner Ehefrau zunächst keiner Konfession an.
Über Ludwig Reinheimers Zeit im Alpenverein ist leider wenig bekannt. Er trat 1922 in die Frankfurter Sektion ein. Zu dieser Zeit arbeitete er als Assistent im Frankfurter Gesundheitsamt, es war außerdem das Jahr in dem sein Vater starb. Ob der Eintritt nach dem Tod des Vaters erfolgte, Ludwig Reinheimer vielleicht auf der Suche war nach einer neuen Gemeinschaft einem Gefühl des „Dazugehörens“, lässt sich nur mutmaßen.
Überliefert ist die gemeinsame Liebe des Ehepaares Reinheimer zu den Bergen. Zusammen unternahmen sie bis zur Geburt des ersten Kindes ausgedehnte Wanderungen und Klettertouren. Zu den Hobbys von Dr. Ludwig Reinheimer gehörte daneben die Fotografie; er fertigte zahlreiche Selbstporträts mit Fernauslöser an, darunter auch die abgebildete Aufnahme, und vergrößerte seine Abzüge selbst. Ferner war er begeisterter Leser und interessierte sich für Sprachen, besonders Englisch und Französisch. Seine Tochter berichtet, er habe selbstverständlich häusliche Arbeiten wie Kochen und Nähen übernommen.
Am 31. Januar 1933 wurde Dr. Ludwig Reinheimer zwangsweise beurlaubt. Am 4. Mai 1933 erfolgte zwar die Rücknahme der Beurlaubung, aber bereits am 31. Dezember 1935 wurde er schließlich zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Ein Antrag auf Belassung im Dienst wurde abgelehnt.
Noch am 2. Januar 1935 ist Ludwig Reinheimer mit dem Ehrenkreuz für Frontkämpfer ausgezeichnet worden.
Von Januar 1937 bis zur Aufgabe des Lehrbetriebes im April 1939 war Dr. Reinheimer als Lehrer für medizinische Hilfswissenschaften, Erste Hilfe, Heilgymnastik, Medizin- und Sportmassage in der Gymnastikschule von Hansi Hochschild beschäftigt. Vom 1. April 1940 bis 30. November 1942 war er schließlich als Arzt bei der Jüdischen Gemeinde angestellt.
Dr. Ludwig Reinheimer betrieb vergeblich seine Auswanderung in das US-amerikanische Exil. Unter anderem galt ein Affidavit nur für ihn und nicht für die Kinder. Laut seiner Tochter konnte sich die Familie trotz der Ausgrenzung auf die Unterstützung vier nichtjüdischer Freunde verlassen. Im Zusammenhang mit dem November-Pogrom wurde Ludwig Reinheimer vom 12. November bis 9. Dezember 1938 in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt (Häftlingsnummer 26442). Im selben Jahr erfolgte der Zwangsverkauf des elterlichen Hauses in Landstuhl, Kaiserstraße 19 (später Saarstraße 31), an dem Ludwig Reinheimer einen Miteigentumsanteil besaß. Seine Mutter lebte anschließend zeitweise in Karlsruhe, ab etwa Anfang 1940 bei Dr. Ludwig Reinheimer und seiner Familie in Frankfurt. Sie starb am 6. Mai 1940 an eitriger Rippenfellentzündung im Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde, Gagernstraße 36. Seine Ehefrau musste sich 1941 einer schweren Krebsoperation unterziehen.
Am 13. Februar 1943 hatte Dr. Ludwig Reinheimer zu einem Verhör bei der Geheimen Staatspolizei in der Lindenstraße zu erscheinen. Er wurde dort gezwungen, die Todesursache des gerade gestorbenen weiblichen jüdischen Häftlings Regina Grohe, geb. Mannheimer, zu diagnostizieren, die er laut Angaben seiner Tochter vermutlich aus Angst bewusst falsch mit Freitod durch Vergiftung angab. Laut Zeugenaussagen beschuldigten sich die beiden Gestapo-Beamten Heinrich Baab und Kamp später gegenseitig, die Frau ermordet zu haben. Nach Eintreffen des gerichtsmedizinischen Gutachtens, das Erwürgen oder Erhängen als Todesursache feststellte, wurde Dr. Ludwig Reinheimer zunächst in das Gefängnis Hammelsgasse, dort war er am 18. Februar 1943 als in Einzelhaft für die Geheimen Staatpolzei einsitzend registriert, und später in das Arbeitserziehungslager Heddernheim verschleppt, wo er als Lagerarzt eingesetzt war. Dort konnten ihn die Ehefrau und die Töchter einige Male über den Zaun hinweg sehen und Päckchen abgeben. Seine Frau und die Kinder mussten ihre Wohnung zwangsweise verlassen. Der älteren Tochter wurde ab Ostern 1943 der Besuch des Gymnasiums verwehrt.
Am 18. September 1944 kam Dr. Ludwig Reinheimer in das Konzentrationslager Groß-Rosen, dort ist er am 22. September 1944 unter der Häftlingsnummer 63448 registriert. Am 10. Februar 1945 wurde er vom Konzentrationslager Groß-Rosen in das Flossenbürger Außenlager Leitmeritz (Litoměřice) deportiert, wo er am 15. Februar 1945 ankam. Registriert wurde er mit der Häftlingsnummer 88238.
Des Weiteren ist eine Transportliste für die Rücküberstellung von Leitmeritz in das Hauptlager Flossenbürg vom 28. Februar 1945 überliefert, auf der der Name Ludwig Reinheimer auftaucht. Allerdings wird er unter der Spalte von Häftlingen, die zwar auf der Transportliste genannt, allerdings nicht identifziert werden konnten, erwähnt. Vermutlich ist er daher auf dem Transport von Leitmeritz nach Flossenbürg oder bereits in Leitmeritz verstorben. Laut Unterlagen im Institut für Stadtgeschichte wurde Dr. Ludwig Reinheimer mit Wirkung zum 31. März 1944 amtlich für tot erklärt.
Seine Ehefrau starb am 24. Dezember 1945. Die minderjährigen Töchter des Ehepaares wuchsen bei Angehörigen in Hamburg auf.
Quellen
Archiv der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Link: https://www.gedenkstaette-flossenbuerg.de/de/recherche/archiv (Eingesehen am: 31.03.2022).
Archiv der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Informationen zum Außenlager Leitmeritz: https://www.gedenkstaette-flossenbuerg.de/de/geschichte/aussenlager/leitmeritz (Eingesehen am: 31.03.2022).
Stolpersteine der Stadt Frankfurt am Main. Link: https://frankfurt.de/frankfurt-entdecken-und-erleben/stadtportrait/stadtgeschichte/stolpersteine/stolpersteine-im-dornbusch/familien/reinheimer-ludwig (Eingesehen am: 31.03.2022).