Karl (auch Carl) Theodor Neubürger wurde am 5. März 1890 in Frankfurt am Main als Sohn des Arztes Dr. med. Jakob Otto Neubürger (1864-1913) und der Henriette Fanny, geb. Hallgarten (1869-1914), geboren. Laut dem Frankfurter Adressbuch von 1890 wohnten seine Eltern damals in der Hochstraße 20. Sein Vater wurde als Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer geführt. Karls Großvater Dr. med. Theodor Nathan Neubürger (1830-1915) wurde in diesem Adressbuch ebenfalls mit der Anschrift Hochstraße 20 und als Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer verzeichnet. Seine Mutter Henriette Fanny war die Tochter des jüdischen Mäzens Charles L. Hallgarten (1838-1908). Somit war die Familie Neubürger mit der Familie Neisser verwandt, da sowohl Dr. Otto Neubürger wie Dr. Max Neisser mit einer Tochter von Charles L. Hallgarten verheiratet waren. Karl Theodor Neubürger hatte einen zwei Jahre jüngeren Bruder namens Friedrich (genannt Fritz) Alexander Neubürger.
Karl Theodor Neubürger besuchte das Goethe-Gymnasium in Frankfurt und machte dort Ostern 1908 das Abitur. Seine Eltern wohnten zu dieser Zeit immer noch in der Hochstraße 20. Anschließend studierte er bis 1913 Medizin an den Universitäten in München und Freiburg. Im Jahr 1925 heiratete er die katholische Ärztin Dr. Katharina Wisbaum (1895-1972) und trat in diesem Zusammenhang zum Katholizismus über. Sie hatten drei Kinder: Maria Elisabeth Neubürger (1926-1991), Henriette Emma Neubürger (1927-1969) und Dr. Otto Wilhelm Neubürger (1929-2009).
Nach dem Abitur Ostern 1908 studierte Karl Theodor Neubürger Medizin an den Universitäten München und Freiburg i. Brsg. Er wurde 1914 an der Universität Freiburg i. Brsg. mit einer Arbeit über "Neuere Anschauungen über das Zustandekommen von Sinnestäuschungen" zum Dr. med. promoviert. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er zu einem führenden Spezialisten im Bereich Neuropathologie. Jeff Minckler schrieb in seinem Nachruf hierzu:
"His interest in classic learning and literature, however, served him well and kept him writing through nearly 200 manuscripts, most of which were in the area of pathology with a heavy leaning to neuropathology. It is difficult, indeed, to survey disease processes of the nervous system without finding significant contributions in the area by Karl Neubuerger. He had unusual knowledge about the history of neuropathology and was one of few who had essentially lived through it all. His interests eventually centered in the heart and the attendant cerebral insufficiencies that went with cardiovascular problems."
Ab 1926 leitete er die neuropathologische Prosektur der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie in den Heil- und Pflegeanstalten Haar-Eglfing bei München. Zugleich lehrte er ab 1930 an der Universität München als Privatdozent für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie, besonders des zentralen Nervensystems. 1931 habilitierte er sich in Medizin an der Universität München mit Studien zur pathologischen Anatomie. Karl Theodor Neubürger veröffentlichte zahlreiche Forschungen, zum Beispiel 1930 "Beiträge zur Histologie, Pathogenese und Einteilung der arteriosklerotischen Hirnerkrankung" bei Fischer in Jena.
Nach der Emigration im Jahr 1938 gelang es ihm, sich an der Universität Denver eine neue Wirkungsstätte aufzubauen. Dort wurde er schließlich 1946 "Full Professor" an der School of Medicine.
Karl Theodor Neubürger ist bereits 1908, also mit nur 18 Jahren, der Sektion Frankfurt am Main des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins beigetreten. Im Jahr 1912, noch während seines Medizinstudiums, spendete er 20 Mark für den Erweiterungsbau des Gepatschhauses. Im Frankfurter Mitgliederverzeichnis von 1925 ist er mit Wohnsitz München aufgeführt. Auf der Jahreshauptversammlung im März 1933 erhielt er das Silberne Edelweiß für seine 25-jährige Mitgliedschaft im Alpenverein. Er wird im Nachrichten-Blatt der Sektion Frankfurt am Main, Heft 5 vom Juni 1934, namentlich unter den Jubilaren aufgeführt, und zwar mit Wohnsitz in Haar (Oberbayern) und dem Vornamen Carl. Dies belegt, dass Dr. Karl Theodor Neubürger 1933 nicht aus dem Alpenverein ausgetreten ist und auch nicht ausgeschlossen wurde. Da er vor 1914 in die Sektion eingetreten und im Ersten Weltkrieg sogenannter "Frontkämpfer" war, betraf ihn der 1934 in der Frankfurter Sektionssatzung verankerte sogenannte "Arierparagraf" nicht.
Auch sein jüngerer Bruder Dr. Fritz Neubürger ist Mitglied der Frankfurter Sektion gewesen, aber erst seit 1922. Wir finden ihn im Mitgliederverzeichnis von 1925, wissen zurzeit aber nicht, ob er 1933 ausgetreten ist oder ausgeschlossen wurde. Hier fehlen uns die entsprechenden Quellen.
Wir können derzeit nicht sagen, welche Bergtouren Karl Theodor Neubürger vor 1938 in den Alpen unternommen hat. Aus dem Nachruf von Jeff Minckler wissen wir aber, dass er in den USA bis in die 1950er Jahre Bergtouren in den Rocky Mountains unternommen hat: "he climbed all of Colorado's peaks over 14,000 feet altitude" (also über 4.267m). Dann konnte er dies wegen seiner Herzprobleme nicht mehr.
Dr. Karl Theodor Neubürger leitete seit 1926 die neuropathologische Prosektur der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie (DFA) in den Heil- und Pflegeanstalten Haar-Eglfing bei München. Obwohl er 1925 zum katholischen Glauben übergetreten war, verbot ihm die Regierung Oberbayerns als Sohn von Juden im März 1933 die Fortsetzung seiner Arbeit. Der Direktor der DFA Walther Spielmeyer protestierte dagegen. Aufgrund des "Frontkämpfer"-Status von Dr. Neubürger, durfte er vorerst doch an der Forschungsanstalt tätig bleiben. Allerdings verlor er Ende 1935 auf Anordnung des Bayerischen Kultusministeriums seine Stelle als Leiter der Prosektur. Dank einer Finanzierung durch die amerikanische Rockefeller Foundation konnte Dr. Karl Theodor Neubürger mit Unterstützung des Direktors Ernst Rüdin bis Sommer 1938 weiterhin an der DFA forschen.
Im August 1938 wanderte Dr. Neubürger mit seiner Ehefrau, der Ärztin Dr. Katharina, geb. Wisbaum, und den drei Kindern Maria, Henriette und Otto in die USA aus. Dort fand er eine Stelle als "Instructor" an der School of Medicine der University of Colorado in Denver. Bald darauf wurde er Assistant Professor, 1944 Associate Professor und nur zwei Jahre danach bereits Full Professor. Bis 1958 unterrichtete Karl Theodor Neubuerger Pathologie mit Forschungsschwerpunkt in der Neuropathologie. Zudem war er von 1951 bis 1960 am General Rose Memorial Hospital Denver als Pathologe tätig. Als Professor hatte er hohes Ansehen in Denver und darüber hinaus. Jeff Minckler schrieb in seinem Nachruf:
"His genuine modesty was almost excessive, his humility inspiring, his integrity unassailable, and his scholarship exemplary. With virtues such as these, there is little wonder at the frequent statement by clerk or colleague that, 'They just don't make them that way anymore'. All are poorer for his death, and richer for his life."
Dr. Karl Theodor Neubuerger starb in seinem 82. Lebensjahr am 7. März 1972 in Denver (Colorado, USA), seine Ehefrau Dr. Katharina Neubürger nur ein halbes Jahr später am 6. September 1972 ebenfalls in Denver. Beide wurden auf dem Friedhof "Sacred Heart of Mary" in Boulder (Colorado) beerdigt, ebenso wie die jung verstorbene Tochter Henriette Emma, verheiratete McCarthy, die nur 41 Jahre alt wurde, und Maria Elisabeth, verheiratete Siddeek.
Sein jüngerer Bruder Friedrich Alexander, genannt Fritz, Neubürger wanderte im November 1939 in die Niederlande aus, fiel den Deutschen später aber in die Hände. Im Januar 1944 wurde er aus dem KZ Westerbork nach Theresienstadt deportiert und von dort im September desselben Jahres in das Vernichtungslager Auschwitz, wo er vermutlich direkt nach der Ankunft ermordet worden ist. Dessen Ehefrau Eva, geb. Jaffé, ist ebenfalls nach Auschwitz deportiert und dort am 8. Oktober 1944 ermordet worden.
Quellen und Literatur
Karl Theodor Neubürger: Neuere Anschauungen über das Zustandekommen von Sinnestäuschungen. Freiburg i. Brsg. Univ. Med. Diss. 1914.
Karl Theodor Neubürger: Beiträge zur Histologie, Pathogenese und Einteilung der arteriosklerotischen Hirnerkrankung. Verlag Fischer: Jena 1930.
Personenstand der Ludwig-Maximilians-Universität München. Winter-Halbjahr 1933/34. München 1934, online abrufbar
Frankfurter Adressbücher, online abrufbar
Jeff Minckler: In Memoriam: Karl T. Neubuerger, M.D. (1890-1972). In: Journal of Neuropathology & Experimental Neurology 31 (1972), S. 559-561.
100 Jahre Max Planck Institut: Karl Neubürger, online abrufbar
Reinhard Rürup: Schicksale und Karrieren. Gedenkbuch für die von den Nationalsozialisten aus der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vertriebenen Forscherinnen und Forscher (=Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus, Bd. 14). Göttingen 2008, S. 282-283: Eintrag zu Karl Theodor Neubürger.