Ilse Cäcilie Eisenberg, verheiratete Schönflies, wurde 1901 in Frankfurt am Main geboren. Sie war die Tochter des Rechtsanwaltes Ferdinand Eisenberg und seiner Frau Bertha, geborene Backhauhs. Ilse hatte einen Bruder namens Kurt, die Familie wohnte in der Petersstraße 2. Über die Kindheit und Ausbildung von Ilse Eisenberg haben wir keine Informationen, allerdings findet sich im Frankfurter Adressbuch von 1926 für sie der Eintrag "Lehrerin für Körperbildung (Loheland), Petersstraße 2". Tatsächlich hat sie eine Ausbildung als Gymnastiklehrerin in dem damals sehr innovativen, anthroposphisch geprägten Frauenprojekt und Ausbildungsseminar Loheland gemacht, und zwar von April 1918 bis Oktober 1920. Ihr Examen schloss sie offenbar im Sommer 1921 ab.
Am 16. Juli 1926 heiratete Ilse in Frankfurt den Juristen Albert Moritz Schönflies, geboren am 25. Oktober 1898 in Göttingen. Sein Vater Arthur Moritz Schönflies war ein renommierter Mathematik-Professor und Rektor an der Universität Frankfurt.
Ilses Mann Albert hatte in Frankfurt das Goethe-Gymnasium besucht, ab Ende 1916 diente er im Ersten Weltkrieg als Frontkämpfer. In seinem ersten Studiensemester im Sommer 1919 in Frankfurt gab er als Religion noch "israelitisch" an, zwei Jahre später dann "evangelisch". Nach dem Jurastudium machte er 1926 sein 2. Staatsexamen. Das junge Paar verließ danach Frankfurt und zog nach Neuwied, wo Albert Schönflies Gerichtsassessor in den Landgerichtsbezirken Limburg und Neuwied wurde. Hier wurden die Söhne Peter Arthur (16. September 1928) und Hans (26. August 1930) geboren. Ab September 1930 lebte die Familie dann in Königsberg, wo Albert Schönflies Landgerichtsrat am Landgericht Königsberg war. Hier kam am 16. Januar 1933 der jüngste Sohn Walter Kurt zur Welt. Zu Ilse Schönflies gibt es in Loheland-Veröffentlichungen der Jahre 1928 und 1930 noch den Hinweis "Gymnastiklehrerin, nicht ausübend". Danach finden sich keine Hinweise mehr.
Ilse Eisenberg trat 1921 in den Alpenverein in Frankfurt ein, möglicherweise gemeinsam mit ihrem Bruder Kurt. Zwei Jahre später wurde ihre spätere Schwägerin Eva Schönflies Vereinsmitglied, Schwiegervater Arthur war bereits 1912 in die Frankfurter Sektion des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins eingetreten. Da er allerdings bereits 1927 für seine 25-jährige Mitgliedschaft im Alpenverein ausgezeichnet wurde, muss er schon 1902 in eine andere Sektion eingetreten sein. Tatsächlich findet er sich im Verzeichnis der Mitglieder der Sektion Königsberg in Ostpreußen im Bericht der Jahre 1901 bis 1905 auf S. 15 genannt.
Es gibt keine Hinweise, ob Ilse und Albert sich über die Sektion kennengelernt haben. Möglicherweise kannte ihr späterer Mann auch ihren Bruder Kurt, denn beide studierten um etwa die gleiche Zeit in Frankfurt Jura. Da das Ehepaar Schönflies 1926 nach Neuwied umzog, ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass sie danach noch an Aktivitäten des Vereins teilgenommen haben. Informationen dazu haben wir allerdings nicht, auch nicht dazu, ob Ilse weiter Mitglied der Sektion Frankfurt am Main blieb.
Mit dem NS-Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums von 1933 mussten auch jüdische Beamte ihre Posten räumen. Albert Schönflies aber, zu dem Zeitpunkt bereits in Königsberg, konnte als sogenannter Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs zunächst noch weiterarbeiten. Ende 1935 traf ihn aber ein Berufsverbot nach dem Reichsbürgergesetz. Dennoch blieb die Familie noch bis Ende 1938/Anfang 1939 in Königsberg; unter welchen Bedingungen sie dort lebte und wie sie ihren Lebensunterhalt bestritt, wissen wir nicht. Spätestens dann stellten sie einen Antrag auf Genehmigung der Ausreise in die Niederlande. Dort konnten sie nur kurze Zeit in Frieden leben.
Die Familie kam am 26. Januar 1939 in die Niederlande, wo sie in wenigen Monaten mehrere Flüchtlingslager durchlief: Zunächst kamen sie nach Rotterdam, dann wurden sie in Amsterdam im Lloydhotel, in einem Auffanglager in Schoorl sowie in einem Lager in Elspeet untergebracht. Am 30. Oktober 1939 dann wurden die Schönflies" in ein Flüchtlingscamp in Sluis nahe der belgischen Grenze verlegt.
Am 10. Mai 1940 startete NS-Deutschland seinen Überfall auf die Niederlande. Nach zweiwöchigen Kämpfen und starkem Bombardement folgte die Kapitulation der Angegriffenen. Familien wie die Schönflies, die vor den Nationalsozialisten geflohen waren, gerieten nun erneut in höchster Gefahr. Aus Flüchtlingslagern, in denen sie Schutz gefunden hatten, wurden mitunter Internierungslager. Albert und Ilse Schönflies sowie ihre drei Söhne wurden am 17. Juli 1940 ins Lager Westerbork verlegt. Ab 1942 fungierte es als Durchgangslager, von dem aus die Verfolgten von den deutschen Besatzern in Vernichtungslager wie Auschwitz-Birkenau und Sobibor deportiert wurden.
Vier Jahre lang blieben die Schönflies" im Camp Westerbork. Zumindest in der ersten Zeit dürfte es für ihre Kinder noch ein Schulangebot gegeben haben. Am 4. September 1944 wurde die Familie schließlich nach Theresienstadt deportiert und von dort aus am 28. Oktober 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz.
Ilse wurde zusammen mit den Söhnen Hans (14 Jahre alt) und Walter Kurt (11) gleich nach ihrer Ankunft in Auschwitz ermordet. Sohn Peter Arthur starb am 27. Januar 1945 im KZ-Außenlager Fürstengrube im Alter von 16 Jahren. Die genauen Umstände sind nicht bekannt. Ende Januar wurde dieses Außenlager wegen des Vorrückens der Roten Armee von der SS geräumt. Wann und wo Albert Schönflies starb, ist unbekannt, doch wird sein Tod für 1944 in Auschwitz angenommen.
Die Initiative "Stolpersteine in Neuwied" hat in Neuwied in der Wallstraße 4 Stolpersteine für Albert und Ilse Schönflies sowie für die dort geborenen Söhne Peter Arthur und Hans verlegt.
Der Deutsche Richterbund hat 2010 in Berlin eine Gedenktafel eingeweiht, die an in der NS-Zeit als Juden verfolgte Richter erinnert. Auf der Tafel ist auch Albert Schönflies genannt.
In der Datenbank der Internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem findet sich ein Gedenkblatt für Ilse Eisenberg-Scbönflies. Ausgefüllt und unterzeichnet wurde es von Arthur Levy, einem Neffen von Ilse Eisenberg-Schönflies.
Quellen
Bergemann, Hans/Ladewig-Winters, Simone: Richter und Staatsanwälte jüdischer Herkunft in Preußen im Nationalsozialismus. Köln 2004
www.deutsche-biographie.de, abgerufen am 15.11.2021
Bericht der Sektion Frankfurt a.M. des DuÖAV 1919-1924, Frankfurt am Main 1925
Deutscher Richterbund, Berlin
Erinnerungszentrum Camp Westerbork, Niederlande
Loheland-Stiftung, Archiv
Eindrücke über das Frauenprojekt vermittelt der Film "Eine neue Generation Weib - Die mutigen Frauen von Loheland"
Universitätsarchiv Frankfurt am Main, Akten zu Arthur und Albert Schönflies
Yad Vashem - Internationale Holocaust-Gedenkstätte