„Wir waren deutscher als die Deutschen. Aber als Hitler an die Macht kam, hat man uns das Judentum eingebläut.“
Hans Jakob Bauer
Sohn von Hugo und Martha Bauer
über das Leben der Familie
Familie, Ausbildung und Beruf
Hugo Bauer steht in Badekleidung am Meer oder einem See.
Hugo Bauer (l.) als Schüler bei einem Badeausflug. Quelle: Bonavita/Bennett

Hugo Bauer wurde am 29.5.1883 als Sohn von Gustav und Henriette Bauer, geb. Levy, geboren. Nach dem Abitur 1901 am Kaiser-Friedrich-Gymnasium (heutiges Gagern-Gymnasium) studierte er Chemie in München und arbeitete zeitweise an der Chemieschule in Straßburg, bis er 1909 nach Frankfurt zurückkehrte. Hier arbeitete er am Chemotherapeutischen Forschungsinstitut Georg-Speyer-Haus, zunächst als Assistent des bekannten Mediziners und Forschers Paul Ehrlich und ab den 20er Jahren als Leiter der Chemischen Abteilung.

Bauer heiratete 1914 Martha Bauer, die nach ihrem Studium als Zahnärztin praktizierte - was für Frauen damals sehr ungewöhnlich war. Die beiden hatten drei Kinder: Hildegard (geb. 1915), Hans Jakob (1918) und Doris (1924). Als Wohnadresse der Familie ist der Kettenhofweg 70 bekannt.

Im Ersten Weltkrieg diente Hugo Bauer ab April 1915 als Landsturmrekrut, unter anderem kämpfte er 1916 bei Verdun. Er wurde zweimal verwundet. Nach Schilderungen seines Sohnes Hans Jakob (s.u., Quellen: Bonavita) lebte er zeitlebens mit einem Granatsplitter im Oberschenkel. Für den Kriegsdienst wurde Hugo Bauer mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet, nach Angaben seines Sohnes war er auch Mitglied im Reichsbund jüdischer Frontsoldaten. Nach dem Krieg kehrte Bauer an seinen vorherigen Arbeitsplatz am Georg-Speyer-Haus zurück.

Zeit im Alpenverein
Hugo Bauer und seine Frau Martha an einem Strand in der Bretagne, im Jahr 1931. Quelle: Jon Bauer
Hugo und Martha Bauer 1931 an einem Strand in der Bretagne. Quelle: Jon Bauer

In die Frankfurter Sektion des Deutschen Alpenvereins trat Hugo Bauer nach Einträgen im damaligen Nachrichtenblatt 1932 ein, wie auch seine Frau Martha. An welchen Aktivitäten im Verein die beiden teilnahmen, wissen wir nicht - allerdings ist durch Erzählungen ihres Sohnes Hans Jakob bekannt, dass sie begeisterte Wanderer waren und die Familie häufig Wanderungen im Taunus unternahmen: "Unsere ganze Familie war sehr sportlich. Wir sind jeden Samstag und Sonntag in den Taunus marschiert". Hans Jakob nennt die Hohemark, den Sandplacken, "dann rauf auf den Feldberg oder nach Kronberg, Fuchstanz und Altkönig". Im Winter sei man Ski gefahren.

Er erwähnt auch, dass sein Vater Mitglied "im deutsch-österreichischen Alpenverband mit dem silbernen Edelweiß" war. Ob das auf eine 25-jährige Mitgliedschaft deutet, bleibt offen, es ist angesichts der Eintrittsdaten im Nachrichtenblatt des Vereins eher sehr unwahrscheinlich.

Der 1934 in die Vereinssatzung aufgenommene "Arierparagraph" schrieb vor, dass sogenannte "Nichtarier" nicht in der Sektion bleiben konnten - es sei denn, es handelte sich um sogenannte "Frontkämpfer" des Ersten Weltkriegs. Das wäre auf Hugo Bauer zugetroffen, allerdings gehen wir davon aus, dass es in den Gruppen und bei den Aktivitäten der Sektion ab 1933 zunehmend soziale Ausgrenzungsmechanismen gegeben haben dürfte, die eine weitere Teilnahme jüdischer Menschen erschwert haben dürften.

Verfolgung und Emigration
Der Chemiker Bauer 1938 bei der Arbeit in einem US-Laboratorium.
Der Chemiker Hugo Bauer 1938 in den USA bei der Arbeit. Quelle: Office of NIH History and Stetten Museum

Hugo Bauer, den sein Sohn als "typisch deutschen Professor" und "nicht sehr gesprächig, voller Hemmungen" beschreibt, wurde als Chemiker bald nach 1933 ausgegrenzt. Zunächst konnte er aufgrund des "Frontkämpferprivilegs" noch weiterarbeiten. Ende 1935 aber wurden er und drei weitere jüdische Forscher (Wilhelm Caspari, Erwin Stillung und Eduard Strauss) auf Grundlage des Reichsbürgergesetzes zunächst beurlaubt und wenig später in den Ruhestand versetzt, also entlassen - mit dem Hinweis, dass sie ab dem 1. Januar 1936 Ruhegehalt bekommen würden. Seit 2014 erinnert ein Stolperstein vor dem Georg-Speyer-Haus an die damals Ausgeschlossenen und Verfolgten. Eduard Strauss war nach unseren Erkenntnissen auch mit dem Arzt Arthur Baer bekannt, beide standen nach ihrer Flucht in die USA in Briefkontakt.

Wie sehr die Stigmatisierung die Familie Bauer traf, beschreibt Sohn Hans Jakob: "Wir waren eine fürchterlich assimilierte Familie. Wir waren deutscher als die Deutschen. Wir feierten Weihnachten mit einem Weihnachtsbaum und einem Stern von Betlehem darauf ... Aber nachdem Hitler an die Macht kam, hat man uns das Judentum eingebläut." Martha Bauer war demnach diejenige, die nach Hugo Bauers Entlassung seine schnelle Emigration vorantrieb. Er bekam, anders als viele andere, offenbar ohne Probleme ein Visum für die USA und verließ Deutschland im April 1936. Seine Frau und die jüngere Tochter Doris B. kamen erst 1937 nach, die ältere Tochter Hildegard B. war schon im März 1936 nach Palästina ausgewandert. Der Sohn Hans Jakob bliebt zunächst noch in Frankfurt, weil er eine Schreinerlehre machte.

Laut dem Frankfurter Personenlexikon kam es nach Bauers Emigration zu Rechtsstreitigkeiten um sein Ruhegehalt und um dessen Transfer in die USA. Schließlich wurde es demnach gepfändet, wegen angeblicher Schulden.

In den USA arbeitete der Chemiker Bauer zunächst am John-Hopkins-Hospital in Baltimore und forschte dann ab 1938 am National Institute of Health. Er machte sich einen Namen mit der Entwicklung von Sulfonamiden, die zur Therapie bakterieller Infektionen eingesetzt werden können. Später wechselte er zum "National Institute of Arthritis and Metabolic Diseases". Sein offizieller Ruhestand begann 1954, allerdings konnte er dank Forschungsgeldern noch einige Jahre länger wissenschaftlich arbeiten.

Hugo Bauer starb 1968 im Alter von 84 Jahren. Hans Jakob Bauer erinnnert sich, dass sich sein Vater in den USA sehr wohl gefühlt habe: "Es war, als wenn ein Albdruck von ihm gefallen wäre ... Er hat irgendwie die freie Luft, die im Vergleich zu Deutschland existierte, sehr geliebt und ist nie mehr nach Deutschland gegangen. Er hat sich anscheinend die Heimat aus dem Herzen gerissen."

Ausführliche Informationen über die Nachfahren von Hugo und Martha Bauer finden sich hier. Wir bedanken uns herzlich bei den Enkeln Jon Bauer und Nancy Bennett für die vielen wertvollen Informationen und Fotos.