Geboren wurde Dr. Ernst Wildberger am 25. August 1900 als Sohn von Philipp und Katharina Wildberger in Trier. Nach Jurastudium und Promotion, beides unterbrochen durch den Ersten Weltkrieg, war Wildberger von 1925 – 1930 als preußischer Gerichtsassessor tätig. Es folgte eine Anstellung als Amtsgerichtsrat in Frankfurt am Main, wo er 1932 Jossel Werner, gebürtig aus Eltville am Rhein, heiratete. 1938 führte sein Weg nach Berlin, wo er den Posten des Landgerichtsdirektors bekleidete; zudem arbeitete er als abgeordneter Richter am Volksgerichtshof (VGH), dem obersten nationalsozialistischen Gericht, dass grausame Urteile gegen Gegner der NS-Diktatur fällte. Aus dieser Zeit sind einige Urteile bekannt, an denen Wildberger mitwirkte. Gesondert erwähnenswert ist ein Urteil von Oktober 1938, in dem er gemeinsam mit sechs anderen Richtern vier Männer wegen Hochverrats zu einer Gefängnisstrafe verurteilte – und zwar nur wegen ihrer Mitgliedschaft in der SPD, die von den Nationalsozialisten 1933 verboten worden war. Von 1941 bis 1945 wurde er als hauptamtlicher Richter an den VGH in Berlin berufen, doch konnte er diese Tätigkeit bedingt durch den Zweiten Weltkrieg wohl nicht ausüben, da er Wehrdienst leisten musste und nach einer Verwundung in russische Gefangenschaft geriet.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren die Haltung Wildbergers bzw. seine Tätigkeit am Volksgerichtshof Gegenstand eines Entnazifizierungsprozesses an der Zentralspruchkammer Hessen in Frankfurt. Da Wildberger noch in russischer Gefangenschaft war, führte sein Bruder, Dr. Paul Wildberger, die Verteidigung. Paul Wildberger hatte eigentlich versucht, die Einleitung des Verfahrens zu verhindern, doch scheint es wohl vor allem aufgrund der Arbeit am VGH zu einem Prozess gekommen zu sein – als Richter hatte man Wildberger in die zweithöchste Belastungsstufe des sogenannten "Entnazifizierungsgesetzes" eingestuft, ihn also als aktiv am nationalsozialistischen Regime beteiligten "Belasteten" eingestuft. Dennoch wurde das Verfahren am 25. Januar 1951 aus Mangel an Beweisen eingestellt.
Nach seiner Freilassung aus der Gefangenschaft ging Wildberger gemeinsam mit seiner Frau nach Fulda und arbeitete dort bis zu seinem Tod am 17. Juni 1986 als Rechtsanwalt.
Eine solche Karriere konnte man unter dem NS-Regime nur einschlagen, wenn zwei Kriterien erfüllt waren: Parteimitgliedschaft in der NSDAP und ein sogenannter "Ariernachweis", also ein Stammbaum ohne jüdische Vorfahren. Ernst Wildberger war seit dem 1. Mai 1933 Mitglied der NSDP und der SA. Er hat während seiner Zeit als Richter die NS-Ideologie vertreten. So nahm Wildberger 1935 als Gruppenleiter am sogenannten "Gemeinschaftslager Hanns Kerrl" teil, benannt nach dem hochrangigen Funktionär Hans Kerrl, Preußischer Justizminister und Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten. Kerrl hatte das "Gemeinschaftslager" 1933 gegründet und wollte es zu einer Kaderschmiede junger, nationalsozialistischer Juristen formen. In der Dienstbeurteilung Wildbergers wird vor allem seine "Staatsbejahung" und seine "Volksnähe" in den Vordergrund gestellt. Die Gauleitung Hessen-Nassau stellte im selben Jahr in einer anderen Beurteilung fest, dass Wildberger bereit war, sich "jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat einzusetzen". Seine Parteitreue war wahrscheinlich Hauptgrund dafür, dass er zum ersten "Führer" der Sektion Frankfurt am Main ernannt wurde.
Dr. Ernst Wildberger trat der Frankfurter Sektion des Alpenvereins im Jahr 1924 bei. Nach seiner Heirat empfahl er Anfang 1933 seine Frau Jossel Wildberger für eine Mitgliedschaft. Die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 und der darauf folgende Umbau des öffentlichen und politischen Lebens durch die NSDAP traf auch den Deutschen und Österreichischen Alpenverein. Die Gleichschaltung der einzelnen Sektionen unter dem Dachverband des "Deutschen Reichsbunds für Leibesübungen" (DRL) erzwang unter anderem die Einführung des sogenannten "Führerprinzips". Dies bedeutete, dass ein parteitreuer Funktionär an der Spitze einer jeden Sektion stehen musste und eigentlich demokratische Wahlen im Verein nicht mehr stattfinden durften. In Frankfurt trafen sich die Mitglieder dennoch im Juli 1933, um einen neuen Vorstand und den Sektionsführer zu wählen. Neben Wildberger stellten sich auch der Studienreferendar Walter Baecker und der bisherige Vorsitzende Dr. Max Moritz Wirth zur Wahl. Zunächst ging die Entscheidung zugunsten Wirths aus, der 89 von 191 Stimmen auf sich vereinen konnte. Wildberger landete mit 75 Stimmen nur auf dem zweiten Platz. Allerdings ließ Ernst Wildberger zwei Monate später, im September 1933, im Nachrichten-Blatt der Sektion wortgewaltig seinen eigenen Sieg verkünden:
"Der gewaltige Aufbruch des deutschen Volkes hat auch das deutsche Vereinsleben […] ergriffen. […] Ich übernehme daher die Führung der Sektion, die ich entsprechend den alten bewährten Zielen des Alpenvereins und im Sinne der nationalen, völkischen und volksverbundenen Idee des nationalsozialistischen Staates leiten werde."
Die Hintergründe dieses Coups sind zurzeit nicht zu ermitteln. Wildberger ließ an gleicher Stelle im Nachrichten-Blatt verkündigen, dass der eigentlich Gewählte, Max Moritz Wirth, die Wahl nicht annehmen wollte, da er "der Ansicht sei, die neue Zeit erforderte neue Führer". Wirth ließ nach dem Zweiten Weltkrieg indes verlauten, er sei zum Rücktritt gezwungen worden. Gleichwohl übernahm er im September 1933 das Amt des Stellvertreters von Wildberger und verblieb damit an führender Stelle der Sektion aktiv.
Kraft seines Amts als "Führer" der Sektion konnte Ernst Wildberger auch den Vorstand eigenmächtig neu besetzen, der nun aus auffällig vielen parteitreuen Funktionären bestand. So ernannte er den späteren Sektionsführer Dr. Rudolf Seng zum Hüttenwart, außerdem Dr. Max Tasche zum Sachverwalter für studentische und wissenschaftliche Fragen, Fritz Peters für die Rubrik "Geselligkeit" und Maximilian von Korff-Krokisius für die bergsteigerische Tätigkeit. Die Sachverwalter waren direkt dem "Führer" unterstellt und konnten bei Fachfragen hinzugezogen werden. Die vorher bestehenden "Untergruppen mit eigener Verwaltung" sollten aufgelöst werden, doch geschah dies nicht auf einmal, sondern schrittweise. Zuerst wurde im Juli 1933 die Hochturistische Vereinigung aufgelöst, anschließend im Oktober 1933 die Schi-Abteilung und zuletzt, vermutlich im Februar 1934, die studentische Abteilung.
Der personellen Neubesetzung des Vorstands stand die Verabschiedung altgedienter Mitglieder gegenüber, die teilweise lange im Ausschuss mitgewirkt hatten, unter ihnen als prominentes Beispiel Prof. Dr. Matthias Friedwagner. Ob sie dazu aus politischen Gründen gezwungen wurden oder freiwillig zurückgetreten waren, weil sie mit dem neuen Regime nicht einverstanden waren, lässt sich gegenwärtig nicht sagen. Ernst Wildberger stellte die Umstrukturierung im Nachrichten-Blatt vom September 1933 als Generationenwechsel dar:
"Wenn diese Herren jetzt ihre Ämter zur Verfügung gestellt haben, so ist darin nicht eine Weigerung zur Mitarbeit zu erblicken, sondern lediglich dem Wunsche Ausdruck gegeben, der Sektionsleitung weitere junge Kräfte zuzuführen."
Man hatte zwar die Vorgaben des DRL buchstabengetreu umgesetzt, jedoch auf jener Versammlung im Juli 1933 noch keine Satzungsänderung beschlossen – der neue Vorstand um Wildberger war also streng genommen satzungswidrig im Amt. Dieser musste nachträglich bestätigt werden und deshalb gab es im Februar 1934 eine weitere außerordentliche Hauptversammlung. Zunächst wurde die Satzung an die Vorgaben des neuen Reichssportministers Hans von Tschammer und Osten angepasst: § 3 beinhaltete den sogenannten "Arierparagraphen", der keine als jüdisch definierten Neumitglieder mehr zuließ. Des weiteren wurde das "Führerprinzip" in der Satzung verankert. Und schließlich wählte man auf dieser Hauptversammlung einen neuen Führer: Dr. Rudolf Seng, langjähriges und aktives Mitglied der Sektion, der sie durch die gesamte NS-Zeit hindurch führen sollte. Wildberger war nicht mehr zur Wahl angetreten. Die Gründe dafür sind unklar. Vielleicht war, wie Martin Frey in der Sektionschronik schreibt, die "Machtübernahme" des noch jungen Wildbergers, der sich davor kaum in der Sektion engagiert hatte, nicht gerne gesehen worden. Immerhin war Max Moritz Wirth, ein deutlich erfahreneres Mitglied, der eigentliche Wahlsieger gewesen. Eventuell hatte sich auch der Fokus Wildbergers verschoben: In einer kleinen Rubrik des Nachrichten-Blatts vom Januar 1934 wird den Mitgliedern mitgeteilt, dass er zum Gauführer der Gaue XII und XIII (Oberhessen und Südwest) ernannt worden war. Diese Gaue beinhalteten nahezu alle Sektionen Südwestdeutschlands. Daher war er den einzelnen Führern der Sektionen übergeordnet. Diese Ernennung hatte Ernst Wildberger schon länger verfolgt und vielleicht auch dank seiner Kontakte zu Paul Bauer, dem Leiter des Fachamtes für Bergsteigen und Wandern im Deutschen Reichsbund für Leibesübungen (DRL) schließlich durchgesetzt. Und zwar gegen Max Moritz Wirth, der von den anderen Sektionen als Wunschkandidat gehandelt worden war. Als neuer Gaufachamtsleiter benötigte Wildberger neues Personal und rekrutierte dies auch aus Frankfurt: Max Tasche fungierte ab 1935 auch als Pressesprecher. Wildberger verblieb im Übrigen im Beirat der Frankfurter Sektion: Der neue "Führer" Rudolf Seng teilte ihm das Sachgebiet "Vorträge" und die juristischen Angelegenheiten zu. Das Vortragswesen ging 1935 an Dr. Kurt Blaum und 1937 auch die juristischen Angelegenheiten. Wohl 1936 übernahm Seng schließlich die Leitung der Gaue von Wildberger.
Quellen und Literatur
Archiv der Sektion Frankfurt am Main
Nachrichten-Blatt der Sektion Frankfurt am Main des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins
Martin Frey, Chronik der Sektion Frankfurt am Main, erscheint voraussichtlich 2024.
Helmuth Zebhauser, Alpinismus im Hitlerstaat: Gedanken, Erinnerungen, Dokumente. Bergverlag Rother, Oberhaching 1998.