Familie

Stefanie "Nini" Hess wurde als Tochter des Kaufmanns Samuel Hess (1848-1924) und dessen aus Koblenz stammenden Ehefrau Caroline, geborene Salomon (1858-1943), am 21. August 1884 in Frankfurt am Main geboren. Nini Hess' Schwester Cornelia, genannt "Carry" kam am 11. November 1889, ebenfalls in Frankfurt am Main, zur Welt. Damals wohnte die Familie in der Schleidenstraße 12. Beide Schwestern wuchsen in einem großbürgerlich, liberalen Elternhaus auf. Ihr Vater betrieb laut Frankfurter Adressbuch von 1890 in der Börnestraße 28 die Portefeuillesfabrik Hess & Co., also eine Fabrik für Feinlederwaren wie Portemonnaies und Etuis.

Die Familie Hess wohnte später in der Miquelstraße 7. Über Nini Hess' schulische Ausbildung ist nichts bekannt. Gesichert ist, dass sie und ihre Schwester eine fotografische Ausbildung absolvierten.

Berufsleben

Zusammen mit ihrer Schwester Carry eröffnete Nini Hess im Jahre 1913 in der Frankfurter Börsenstraße 2 ein Fotoatelier für Porträtfotografie. Damals lebte sie bei den Eltern in der Miquelstraße 7. Die Schwestern waren außerordentlich talentierte Fotografinnen, die sich innerhalb kürzester Zeit einen hervorragenden Ruf erarbeiten konnten. Sie gehörten schon bald zu den herausragendsten Lichtbildnerinnen Deutschlands. Ihr künstlerisches Betätigungsfeld umfasste Theater-, Porträt-, Tanz-, Akt- und Architekturfotografie. Zum Beispiel haben die Schwestern die junge jüdische Künstlerin Erna Pinner 1917 fotografiert. Eine weitere Aufnahme von Erna Pinner durch die Schwestern Hess schaffte es 1927 sogar auf das Titelblatt der Beilage "Für die Frau" der Frankfurter Zeitung.

In den 1920er Jahren kam es zur vertraglichen Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Theater, für das Nini und Carry Hess eine Reihe Porträts von Schauspielern (Elisabeth Bergner, Heinrich George, Käthe Dorsch), Sängerinnen und Tänzerinnen (Claire Waldoff, Mary Wigman) oder Komponisten und Dirigenten (Paul Hindemith, Wilhelm Furtwängler) aufnahmen. Aber auch die Szenenfotografie, Aufnahmen für Aushänge für Theaterschaukästen oder Fotografien für Programmhefte und Autogrammkarten wurden von den Schwestern Hess übernommen. Der Vertrag mit den Frankfurter Bühnen garantierte ihnen regelmäßige Aufträge und Honorare.

Verfolgungsschicksal

Das Frankfurter Theater beendete aus "rassischen Gründen" im Jahr 1933 die Zusammenarbeit. Carry Hess emigrierte im gleichen Jahr nach Paris, während Nini Hess versuchte, das Fotoatelier weiterzuführen. Aufträge für Printmedien gingen nicht mehr ein, sodass der Umsatz rapide sank. In der Progromnacht im November 1938 verwüsteten Angehörige der SA das komplette Hess'sche Fotostudio mit dem Negativ- und Bildarchiv und der fototechnischen Ausstattung. Ihr war dadurch jede weitere Tätigkeit als Fotografin zerstört.

Bereits im Jahre 1935 musste Nini Hess zwangsweise aus ihrem Haus in Frankfurt-Sachsenhausen (Unter den Eichen) ausziehen. Die letzte bekannte Adresse war ein sogenanntes "Judenhaus" in der Eschersheimer Landstraße. Dort wohnte sie gemeinsam mit ihrer Mutter Lina. Lina Hess wurde im September 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 6. Januar 1943 aufgrund der dortigen katastrophalen Lebensbedingungen starb. Nini Hess wurde 1942 ebenfalls verschleppt und vermutlich 1943 in Auschwitz ermordet. Für Lina, Nini und Carry Hess sind im Jahr 2014 am letzten frei gewählten Wohnort (Unter den Eichen 7 in Frankfurt-Sachsenhausen) Stolpersteine verlegt worden: Stolpersteine Hess

Carry Hess überlebte die Verfolgung im von den Deutschen besetzten Frankreich. Sie starb verarmt im August 1957 auf einem Urlaub in Chur (Schweiz).

Alpenverein
Eleonore Noll-Hasenclever (1880-1925). Aus: Erler, Heinrich (Hrsg.): Den Bergen verfallen - Alpenfahrten von Eleonore Noll-Hasenclever, 1. Auflage, Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Berlin 1932.

Nini Hess trat im Jahre 1921 dem Alpenverein bei. Über Fahrten in die Berge oder Aktivitäten im Alpenverein ist nichts bekannt. Zu Beginn der 1920er Jahre wurde die bis heute bedeutendste Alpinistin Frankfurts, Eleonore Noll-Hasenclever, im Fotostudio der Schwestern Hess fotografiert. Man kann nur spekulieren, ob die Alpinistin Nini Hess in den Alpenverein brachte. Nach dem Tod Noll-Hasenclevers am Walliser Weißhorn im Jahre 1925 wurde diese Fotografie in dem 1932 herausgegebenen Erinnerungsbuch "Den Bergen verfallen - Alpenfahrten von Eleonore Noll-Hasenclever" veröffentlicht.

Ob Nini Hess im Jahr 1933 aus der Sektion Frankfurt am Main des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins ausgetreten ist oder als Jüdin später ausgeschlossen wurde, ist zurzeit nicht bekannt.

Quellen und Literatur

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, HHStAW Abt. 519, Nr. 15.641

Köhn, Eckhardt, Wartenberg, Susanne (Hrsg. im Auftrag des Museum Giersch der Goethe-Universität, Frankfurt a.M.): Die Fotografinnen Nini und Carry Hess, 1. Auflage, Hirmer-Verlag, München (2021).

Erler, Heinrich (Hrsg.): Den Bergen verfallen - Alpenfahrten von Eleonore Noll-Hasenclever, 1. Auflage, Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Berlin 1932.

Stolpersteine für Carry, Lina und Nini Hess