Familie

Rainer Henry Emanuel wurde am 21. Oktober 1911 in Frankfurt am Main geboren. Der aus dem nordhessischen Mengeringhausen stammende Vater, Karl (auch Carl) Salomon Emanuel (21. September 1874-14. Oktober 1943), war Chefarzt der Augenstation des Bethanien-Krankenhauses in Frankfurt. Ab 1933 durfte Karl Emanuel, der evangelisch getauft war, aber jüdische Eltern hatte, aufgrund seiner jüdischen Herkunft dort keine Sprechstunden mehr abhalten und keine Operationen mehr vornehmen. Im Jahr 1938 wurde er zudem gezwungen, seine Privatpraxis aufzugeben, in der er zuletzt nur noch jüdische Patienten behandeln durfte. Im Juni 1940 wurde ihm von der Universität Heidelberg, an der er studiert hatte und zum Facharzt ausgebildet worden war, der Doktortitel entzogen ("Dr. Emanuel ist unwürdig einen deutschen Doktortitel zu tragen"). Karl Emanuel wurde mehrfach inhaftiert und musste im Juni 1943 in das jüdische Altersheim im Hermesweg im Frankfurter Nordend übersiedeln. Dies war eine sogenannte "Gemeinschaftunterkunft für Juden". Am 19. August 1943 wurde er wiederum verhaftet und in das Untersuchungsgefängnis in der Hammelsgasse verbracht. Hier starb er unter ungeklärten Umständen am 14. Oktober 1943 (angeblich an "Herzmuskelentartung", doch ist von einer gezielten Tötung durch die Gesatpo auszugehen).  

Rainer Emanuels Mutter Bertha, geborene Bücking, war keine Jüdin. Sie wurde im Jahr 1883 geboren und heiratete Karl Emanuel im Jahre 1908. Bertha Bücking starb bereits mit 38 Jahren am 20. Oktober 1921 in Frankfurt am Main. Nach dem Tod der Mutter zog Rainer Emanuel mit seinem Vater von der Goethestraße in den Gärtnerweg 12 im Frankfurter Westend. Für Karl Emanuel wurde dort am 18. Mai 2015 ein Stolperstein verlegt.

Nach der Ideologie des Nationalsozialismus galt Rainer Emanuel als "Mischling 1. Grades". Er war verheiratet mit Marianne, geborene Mörschel (geboren am 7. Dezember 1921).

Ausbildung und Beruf

Rainer Emanuel machte an Ostern 1930 sein Abitur an der Frankfurter Musterschule. Er begann sofort danach sein Studium der Medizin an der Universität Frankfurt. Nach eigener Aussage wurde er ab dem Jahr 1933 während seines Studiums durch Mitglieder der NS-Studentengruppe behindert und belästigt. Dies insbesondere beim Besuch von Vorlesungen, beim Gedankenaustausch mit Kommilitonen und auch bei der praktischen Arbeit in den Kliniken in den Semesterferien. Aufgrund dieser Hindernisse konnte er sein Studium erst im Sommer des Jahres 1937 beenden. Daran anschließend ging er für einen zweijährigen Studienaufenthalt in die Schweiz und hospitierte dort am Berner Frauenspital. Während dieses Auslandsaufenthaltes konnte er seine Dissertation über das Thema "Experimentelle Untersuchungen zur Neuroregulation des Ovariums" beenden (nach eigener Aussage wurde ihm sein Doktordiplom im Juli 1940 aus Bern übersandt; 1942 in der Schweiz veröffentlicht).

Einen Monat vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kehrte Rainer Emanuel nach Frankfurt zurück. Hier absolvierte er, weiter großen Schwierigkeiten ausgesetzt, sein praktisches Jahr als Mediziner. Im ersten Halbjahr seines Praktikums war er am Pathologischen Institut tätig. Das Städtische Krankenhaus in Frankfurt-Sachsenhausen setzte im zweiten Halbjahr seines praktischen Jahres seiner Tätigkeit wegen "nichtarischer Abstammung" ein vorzeitiges Ende. Versuche, an der Frankfurter Kinderklinik unterzukommen, schlugen fehl. Für kurze Zeit kam Rainer Emanuel dann noch in der internistischen Abteilung des St. Markus-Krankenhauses unter, wo er bis zum Januar 1941 tätig sein konnte. Die Approbation wurde ihm selben Jahr endgültig vom Reichs-Innenministerium verweigert ("Aufgrund des § 3 Abs. 2 Ziffer 5 der Reichsärzteordnung vom 13.12.1935 muß ich Ihnen die Bestallung als Arzt versagen" - Schreiben des Reichsministers des Innern vom 18. März 1941). Daraufhin erfolgte durch die Ärztekammer Frankfurt ein völliges Verbot jeglicher Tätigkeit als Arzt.

Da Rainer Emanuel als Mediziner nicht arbeiten durfte, sah er sich deshalb zu einem Berufswechsel gezwungen. Er bemühte sich erfolglos um eine Lehrstelle zur Ausbildung zum Fotografen, erabeitete sich jedoch die hierfür notwendigen Kenntnisse nach eigener Aussage daraufhin im Selbststudium und konnte als freier Fotograf offenbar seinen Lebensunterhalt bestreiten. Sein besonderes Augenmerk lag auf der fotografischen Dokumentation von Gebäuden und von Kunstschätzen der Frankfurter Altstadt (die im Frankfurter Institut für Stadtgeschichte archivierte "Fotosammlung Rainer Emanuel" umfasst heute über 800 Fotografien).

Verfolgungsschicksal

Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges bat Rainer Emanuel das Frankfurter Arbeitsamt um Vermittlung in eine fotografische Tätigkeit, was von Amts wegen allerdings abgelehnt wurde. In seinem Lebenslauf schreibt er, dass er daraufhin als ungelernter Arbeiter in einem Rüstungsbetrieb arbeiten musste und schließlich durch private Hilfe eine Stellung als Fotograf bei der Bauer'schen Gießerei (einer damals bekannten Schriftgießerei) in Frankfurt am Main bekam. Von September bis November 1944 wurde er als Zwangsarbeiter zu Schanzarbeiten am Westwall in Lothringen eingesetzt. Anfang März 1945 schließlich musste er auf Veranlassung der Gestapo im OT-Arbeitslager Blankenburg/Harz arbeiten (OT = Organisation Todt - eine paramilitärische Bautruppe. Benannt nach dem Nationalsozialisten Fritz Todt).

Nachkriegsleben

Am 19. Juni 1945 erhielt Rainer Emanuel schließlich die Genehmigung zur Niederlassung als praktischer Arzt, verbunden mit der Zulassung zu sämtlichen Krankenkassen. Die Lizenz als praktischer Arzt wurde ihm am 23. Oktober 1945 erteilt. In der Folge eröffnete er in Frankfurt am Main eine Arztpraxis, die er im Jahr 1952 aber wieder aufgab. Bis zum 1. September 1953 blieb er in Frankfurt poilizeilich gemeldet. Er siedelte nach Äthiopien über, wo er in den Dienst der Regierung eintrat (Government Hospital in Dessie). Über seinen weiteren Lebensweg und sein Todesdatum ist uns derzeit nichts bekannt.

Alpenverein

Rainer Emanuel trat im Jahr 1931 auf Empfehlung von Ernst Meissinger in die Frankfurter Alpenvereinssektion ein. Ob Emanuel später aus dem Verein austrat oder ausgeschlossen wurde, ist nicht bekannt. In einem vertraulichen Schreiben des "Führers des Deutschen Alpenvereins", Arthur Seyß-Inquart vom 22. Februar 1940 an alle Sektionsführer wird ausgeführt, dass "Mischlinge, die schon Mitglieder sind, wegen ihrer Eigenschaft als Mischlinge nicht ausgeschlossen werden können". Insoweit hätte Rainer Emanuel weiterhin Mitglied in der Sektion bleiben können. Allerdings wurde in einem ähnlich gelagerten Fall (auch Emanuels Bürge Ernst Meissinger war "Mischling 1. Grades") von der Sektionsführung anders entschieden: Ernst Meissinger wurde aus dem Alpenverein ausgeschlossen.

Über vereinsinterne Aktivitäten Rainer Emanuels ist uns derzeit nichts bekannt.

Quellen

Hessisches Hauptstaatsarchiv, Wiesbaden HHStAW, Abt. 518, Nr. 74713

Institut für Stadtgeschichte (ISG), Frankfurt, 51/73, Sign. 1.325

Stolperstein für Carl Salomon Emanuel

Bibliografische Angaben zur Dissertation